1. Wenn die Nachtigall erwacht 02


    Datum: 28.08.2020, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie

    ... seinen Lippen entgegen, saugte an seiner Unterlippe, und schob ihre Zunge erneut in seinen Mund. In diesem Moment erschien vor ihrem inneren Auge das Bild der orangefarbenen Lippen. Diesmal waren die Lippen spröde und rissig, wie bei einem Verdurstenden kurz vor dem Tod. Die Mimik dieser Lippen signalisierte höchste Not und flehendes Bitten. Die Geräusche dieser Vision erstarben in einem jämmerlichen Wimmern.
    
    Miriam beendete den Kuss mit Sven so abrupt, dass er sie mit offenem Mund und vorgestreckter Zunge verwundert anschaute. Die Pupillen ihrer grünen Augen waren vor Erregung geweitet und doch umspielte Furcht ihre Augenlider.
    
    »Ich muss los!«, sagte Miriam und rutschte von Svens Schoß auf den Sitzplatz neben ihm.
    
    »Habe ich was falsch gemacht?«, fragte Sven, da er Miriams Verhalten nicht nachvollziehen konnte.
    
    »Nein«, sagte Miriam mit gesenktem Blick, »ich glaube, du kannst gar nichts falsch machen, du musst nur ein wenig Geduld mit mir haben.«
    
    »Geduld?«, stutzte Sven und schaute wie ein überfahrenes Reh.
    
    Sie nickte verlegen und biss sich auf die Unterlippe, gleichzeitig rutschte sie unruhig auf ihrem Sitzplatz herum.
    
    »Ich habe noch nicht so viel Erfahrung mit ... «, Miriam atmete aus und blicke ihn direkt an, »ich will dich so bald wie möglich wiedersehen, aber jetzt muss ich dringend nach Hause.«
    
    Als Miriam aufstehen wollte, legte er seine Hand auf ihren Arm.
    
    »Ich habe nicht mal deine Telefonnummer.«
    
    Miriam lächelte verlegen, kramte in der ...
    ... Hosentasche ihrer abgeschnittenen Jeans und drückte Sven eine SIM-Karte in die Hand.
    
    »Frag nicht warum, ich erkläre es dir später: Meine Nummer ist auf der Karte gespeichert, verwende nur diese Karte, wenn du mich anrufst.«
    
    *
    
    Sven blickte ihr nach, als sie mit geschmeidigen Bewegungen aus dem Restaurant joggte und im Gewirr der Passanten unterging. Er drehte die SIM-Karte ungläubig in seiner Hand und steckte sie in die Hosentasche. Dann räumte er den kleinen Berg aus Verpackungsmüll auf sein Tablett, um den Tisch halbwegs sauber zu hinterlassen. Er blieb noch sitzen und wartete, bis seine Erektion auf ein erträgliches Maß abgeschwollen war. Seine sorgsam arrangierte Strubbelfrisur war einem wirren Chaos gewichen, und in seinem Kopf sah es nicht viel anders aus.
    
    ***
    
    Miriam fehlte die Geduld, auf die nächste S-Bahn zu warten. Sie rannte die zwei Stationen, die sie hätte fahren können. Nach einige Minuten öffnete sie ihre Wohnungstür, eilte den Gang entlang und blickte besorgt in den Raum mit der Pflanze. Die Blüte hing leicht nach unten und die Blätter sahen an den Spitzen verwelkt aus, aber es zogen sich fein verästelte blaue Linien über den orangefarbenen Grundton. V'nyx der IV. würde seinen orangen Farbton niemals ganz aufgeben, aber er war ihr ein Stück weit entgegengekommen.
    
    »Ein Kompromiss ist, wenn keiner zufrieden ist«, sagte Miriam und ging vor V`nyx dem IV. in die Knie. Ihre Speicheldrüsen sonderten die Essenz des heute gesammelten Spermas ab, sie ...