1. HomoLepus 03


    Datum: 24.05.2020, Kategorien: Romane und Kurzromane,

    ... gefühlvoll.
    
    Während ich den Happen unzerkaut herunterwürgte, begann ich die schlanken Finger zu lutschen. Dabei ließ ich meine Zunge langsam um die Fingerkuppen kreisen und drängte dann die Spitze dazwischen. Hier ertastete ich jede noch so kleine Stelle und erging mich im Geschmack, den sie abgaben. Dieser Geschmack war kaum wahrzunehmen und nur im Hintergrund zu erahnen, zumal er von Minute zu Minute immer weiter schwand. Trotzdem konnte ich ihn aufnehmen und studieren. Dabei glaubte ich wirklich, ich könnte diesen Geschmack unter Tausenden wiedererkennen.
    
    Die Fotografin hielt derweil vollkommen ruhig. Sie genoss es ebenso wie ich und sah dabei irgendwie glücklich und zugleich abwesend aus. Ihr Blick ging fast ins Leere und war trotzdem von einer Deutlichkeit, als wenn sie etwas in weiter Entfernung fixierte. Kaum zu beschreiben.
    
    Dann zog sie ihre Finger langsam wieder heraus. Hatte ich gedacht, dass der Genuss jetzt vorbei war, hatte ich mich getäuscht. Während ich noch auf den Fingern gelutscht hatte, hatte sie die Finger ihrer anderen Hand in eine Art Soße gesteckt und schob diese jetzt statt der anderen in meinen Mund.
    
    Welch ein Geschmack von süß, sauer und scharf zugleich. Es musste ein fruchtiges Gemisch aus Honig, einer oder mehrerer Zitrusfrüchte und Chili gewesen sein. Zumindest schmeckte es erfrischend und scharf zugleich. Der Honig machte das Ganze so klebrig, dass ich sehr lange ihre Finger mit der Zunge erforschen konnte und doch immer wieder ...
    ... eine Stelle entdeckte, an der noch etwas klebte und auf mich wartete. Nachdem ich dann doch fast alles erwischt hatte, schälte sich auch hier wieder ihr Eigengeschmack heraus. Genauso gut wie alles zuvor.
    
     So verlief der Abend recht ruhig und ich wurde so lange gefüttert, bis sich mein Hasenkopf schüttelte, denn es ging nichts mehr in mich hinein. Vollgestopft bis zum Rand war mir eigentlich nach einem Schläfchen und dieser Gedanke wurde schon wenig später Realität.
    
    Es war schneller Nacht geworden, als ich vermutet hatte und durch die Scheiben war kein Licht mehr zu erkennen. Als dann sogar die Frau mit vorgehaltener Hand anfing zu gähnen war klar, dass auch sie müde war.
    
    Wenig später erhob sie sich, nahm mich an die Pfote und führte mich wieder nach oben. So wie es aussah, würde ich die Nacht nicht mehr nach Hause kommen, das war klar und man hatte mich ja auch gebeten, etwas zum Wechseln mitzunehmen. Daher hatte ich schon damit gerechnet, nur fragte ich mich jetzt schon, wo ich schlafen würde.
    
    Die Antwort kam wenig später.
    
    Auf dem Flur angekommen, gingen wir diesmal durch eine andere Tür und wir standen in einem Schlafzimmer, ihrem Schlafzimmer. Groß wie alles im Haus stand ihr Bett fast in der Mitte des Raumes. Auch dieses war größer als normal, wohl eher als Spielwiese zu betrachten. Dies war aber nicht meine Ruhestätte, denn an der einen Seite des Bettes, auf dem Fußboden war ein mehr als großer, flacher Korb aufgestellt, der so ähnlich aussah, wie eine ...
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