1. Rapunzel 01


    Datum: 19.10.2018, Kategorien: Romane und Kurzromane,

    ... Mick, das hat der Chef schon erledigt, es ist alles in Ordnung.' Da macht er nur die Augen zu und murmelt, 'Gut.' Er weiß also auf jeden Fall noch, wer du bist und macht sich Gedanken um dich. Das ist doch kein schlechtes Zeichen."
    
    Tanita lächelte schwach. „Hoffentlich. Herr Baumgarten... ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie Mick nicht allein gelassen haben. Aber Sie müssen jetzt nicht mit mir hier herumsitzen und Ihre Zeit verschwenden."
    
    „So ein Blödsinn", antwortete er fast empört. „Ich will doch auch wissen, was mit ihm los ist. Übrigens -- du musst mich nicht siezen."
    
    In diesem Moment wurde die Tür zum CT geöffnet und eine Schwester schob Mick in den Wartebereich. Tanita erschrak, als sie ihn sah. So blass und still war sein Gesicht noch nie gewesen, wie jetzt, wo er auf diesem grässlichen schmalen Bett lag, fast als hätte man ihn aufgebahrt. Sie sprang auf und machte einen Schritt auf ihn zu. Ihre Knie versagten fast, so sehr zitterten sie.
    
    „Wie geht es ihm?", fragte sie die Schwester heiser.
    
    „Die Aufnahmen werden jetzt ausgewertet", erklärte diese kurz und schob Mick aus dem Wartebereich heraus in einen Seitengang, wohl damit er nicht im Weg war. Wenn man so sorglos mit ihm umgeht, kann ja zumindest keine Lebensgefahr bestehen, dachte Tanita sarkastisch.
    
    Die Schwester verschwand ohne ein weiteres Wort hinter der nächsten Tür, sodass niemand die Chance bekam, weitere Fragen zu stellen. Behutsam trat Tanita an Micks Seite, tastete zaghaft nach seiner ...
    ... Hand.
    
    „Hallo", flüsterte sie.
    
    Ein ganzes Gebirge fiel ihr vom Herzen, als er die Augen öffnete und ihren Blick suchte.
    
    „Tanita", murmelte er mit rauer Stimme. „Wie kommst du denn her?"
    
    „Mit dem Taxi", sagte sie und kämpfte gegen die Tränen der Erleichterung. „Ach Mick, was machst du bloß? Du hast mir vielleicht einen Schrecken eingejagt."
    
    Er drückte ihre Hand. „Alles... halb so wild. Mir dröhnt nur reichlich der Schädel. Schön, dass du da bist", ein leichtes Grinsen verzog sein Gesicht, „sogar gleich zweimal..."
    
    Gegen ihren Willen musste Tanita schmunzeln und auch Kurt Baumgarten, der sich ein bisschen im Hintergrund hielt, griente in sich hinein.
    
    „Nun red mal nicht so viel", meinte das Mädchen liebevoll. „Ruh dich ein bisschen aus."
    
    Gehorsam schloss Mick die Augen, aber Tanitas Hand ließ er nicht los. Sein Händedruck war beruhigend fest.
    
    Schweigend warteten sie im halbdunklen Gang darauf, dass endlich jemand kommen und ihnen sagen würde, was Sache war. Ab und an knallten irgendwo Türen, Ärzte und Schwestern in OP-Kitteln liefen an ihnen vorbei. Mit halbem Ohr hörte Tanita ihren flapsigen Sprüchen zu. Klinikpersonal hat wohl seinen eigenen Humor, ging ihr durch den Kopf. Manchmal wechselte sie einen kurzen Blick mit Micks Kollegen, der ihr dann aufmunternd zulächelte. Die Zeit verlor an Bedeutung. Wer wusste schon, wie lange sie hier standen. Ein paar Minuten erst oder bereits eine halbe Stunde? Tanita hatte nicht einmal das Bedürfnis, auf die Uhr zu ...
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