1. Rapunzel 01


    Datum: 19.10.2018, Kategorien: Romane und Kurzromane,

    ... Jackentasche danach, aber ihr Gegenüber winkte nur ab.
    
    „Das können wir später noch machen. Herr Steffen ist im Augenblick", sie tippte etwas auf ihrer Tastatur und starrte angestrengt auf den Bildschirm, „beim CT."
    
    „Danke", sagte Tanita. „Und... wo genau finde ich das?"
    
    Die Wegbeschreibung war für jemanden, der noch nie auf dem riesigen Klinikgelände gewesen war, zwar etwas kompliziert, aber zu ihrer eigenen Überraschung fand Tanita ohne weiteres Nachfragen hin. Wirkten die übrigen Gänge des Krankenhauses schon kalt und unsympathisch, so kam ihr der kleine Wartebereich vor dem mit dicken Türen verschlossenen Untersuchungsraum regelrecht düster vor. An der Wand stand ein Bett mit einem alten Mann, der an verschiedenen Infusionen hing. Er hatte die Augen geschlossen und gab keinen Laut von sich, aber in unregelmäßigen Abständen wand er den Kopf auf dem Kissen und sein schmales, faltiges Gesicht verzerrte sich, als würde er unter starken Schmerzen leiden. Beklommen wandte Tanita den Blick von dem armen Mann ab. Nur noch ein weiterer Mensch war anwesend, ein etwas untersetzt wirkender Kerl in den Vierzigern, der einen blauen Overall und Sicherheitsschuhe trug. Er rutschte auf seinem harten Plastikstuhl herum und schien sich genauso unwohl in dieser Umgebung zu fühlen wie Tanita.
    
    Schüchtern ging die junge Frau auf ihn zu. „Entschuldigen Sie bitte. Sind Sie der Kollege von Mick?"
    
    Überrascht schaute er sie an, dann zog ein Lächeln über sein zerknautschtes Gesicht. ...
    ... „Du musst sein Patenkind sein."
    
    „Genau. Tanita Sommer, hallo."
    
    „Kurt Baumgarten."
    
    Sie gaben einander die Hand und Tanita setzte sich neben ihn.
    
    „Bin froh, dass Diederich dich erreicht hat", meinte er gedämpft um den alten Mann nicht zu stören. „Mick wird sich freuen, dass du da bist."
    
    „Ist er denn..." Sie wusste nicht recht, wie sie es formulieren sollte. „Also... ist er bei Bewusstsein oder...?"
    
    „Na ja, das geht immer so hin und her. Auf die Sanitäter hat er zumindest reagiert, als sie so ihre ersten Tests mit ihm gemacht haben, bevor 's dann ins Krankenhaus ging. Und mich hat er auch erkannt, als ich bei ihm war, während wir warten mussten, dass er in die Notaufnahme konnte. Er macht halt zwischendrin immer mal wieder die Augen zu, aber so richtig hundert Prozent bewusstlos ist er dann, glaub ich, nicht."
    
    Das klang ja fast beruhigend. „Was haben die Ärzte denn bis jetzt mit ihm gemacht? Wissen Sie schon, was genau er sich am Kopf getan hat?"
    
    Baumgarten schnaubte kurz. „Wäre schön, wenn man mal was erfahren würde von den Herrschaften. Aber die flitzen nur wichtig in ihren Kitteln hin und her und erzählen einem höchstens, zu welcher Station die Reise denn als nächstes geht." Er machte eine Pause, in der seine Miene sich leicht erhellte. „Da fällt mir ein, als wir da vorhin vor der Notaufnahme rumlungern mussten und gewartet haben, da hat er mich ja nicht nur erkannt. Er hat sogar gesagt: 'Kurt, du musst Tanita Bescheid geben.' Und ich sag, 'Keine Sorge, ...
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