1. Rapunzel 01


    Datum: 19.10.2018, Kategorien: Romane und Kurzromane,

    ... also, ich weiß ja nicht, ob Sie jetzt gleich...?"
    
    „Sicher!", sagte Tanita sofort. „Ich bin quasi schon unterwegs. Uniklinik, richtig?"
    
    „Genau", bestätigte er. „Glauben Sie mir, ich weiß wirklich nicht, wie ihm das passieren konnte. Wir sind hier alle ziemlich geschockt."
    
    Fast hätte sie nervös aufgelacht.
    
    Was glauben Sie, was ich bin.
    
    Zum Glück riss sie sich zusammen und erwiderte nur: „Schon gut. Vielen Dank, dass Sie mich angerufen haben."
    
    „Na hören Sie, das ist doch wohl selbstverständlich. Am liebsten wäre mir, ich hätte das irgendwie verhindern können."
    
    „Machen Sie sich keine Vorwürfe."
    
    Es reicht, wenn ich mir die mache.
    
    „Ich werde sofort losfahren. Vielen Dank noch mal und auf Wiederhören."
    
    „Richten Sie ihm gute Besserung von mir aus, wenn Sie mit ihm sprechen können", verabschiedete er sich.
    
    Nachdem sie aufgelegt hatte, stand Tanita mindestens eine Minute wie erstarrt im Flur. Das war doch eindeutig ein Albtraum. Sie hatte vor ein paar Stunden gedacht, es wäre nicht schlecht, wenn Mick mal etwas passierte -- und jetzt lag er tatsächlich im Krankenhaus und war womöglich sogar schwer verletzt! Das war ja fast wie Voodoo, schwarze Magie, so etwas gab es doch nicht in Wirklichkeit!
    
    „Ich hab 's doch nicht ernst gemeint... nur ein flüchtiger Gedanke... ich wollte doch nicht wirklich... oh Scheiße, bitte mach, dass er das gut übersteht!"
    
    Ohne etwas dagegen machen zu können, liefen ihr die Tränen über die Wangen. Fast blind griff sie nach ...
    ... dem Telefonbuch, blinzelte den Schleier vor ihren Augen weg und suchte nach einem Taxiunternehmen.
    
    Im Nachhinein wunderte sie sich, wie selbstverständlich und rational sie ihre Entscheidungen in dieser Stresssituation traf. Jetzt gab es niemanden, der ihr zur Seite stehen konnte, im Gegenteil, sie war es, die gebraucht wurde und Verantwortung übernehmen musste. Tanita nutzte die Zeit, bis das Taxi kam und packte rasch das Nötigste für Mick zusammen. Ein paar Kleidungsstücke, Waschzeug, Kamm. Im letzten Moment, als der Taxifahrer schon unten klingelte, flitzte sie noch mal ins Schlafzimmer um seine Versichertenkarte zu holen. Zum Glück wusste sie, in welcher Schublade vom Nachttisch er solche Unterlagen aufbewahrte, aber sie musste in dem heillosen Durcheinander trotzdem eine Weile wühlen, bis sie das Gesuchte endlich gefunden hatte.
    
    „Sobald ich wieder da bin, wird das hier vernünftig sortiert", nahm sie sich vor, dann sah sie zu, dass sie nach unten kam.
    
    „Guten Abend. Können Sie mir sagen, wo Mick Steffen ist? Er wurde gegen sechs mit einer Kopfverletzung hier eingeliefert."
    
    Die Empfangsdame in der zugigen Eingangshalle der Klinik musterte sie nicht besonders freundlich.
    
    „Darf ich fragen, wer Sie sind?"
    
    Ihr abweisender Tonfall nahm Tanita fast den Mut, aber sie riss sich zusammen. „Sicher, Entschuldigung. Tanita Sommer, ich bin..." Seine Patentochter? Freundin? „...mit Herrn Steffen zusammen. Ich hab auch seine Karte mit... warten Sie..." Sie kramte in ihrer ...
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