An die Substanz 01
Datum: 13.07.2018,
Kategorien:
Nicht festgelegt,
... Klasse." Das hätte ich vielleicht nicht sagen sollten, denn das glomm ein Funken Panik in Michaelas Augen auf. "Hör zu, wir müssen das hier vergessen...", begann sie und ich antwortete spontan: "Ich kenne deine Geschichte, deine Urkundenfälschung, eine Ambitionen als Ärztin und jetzt als Lehrerin. Es wäre besser wenn du dir meine Ratschläge dazu anhören würdest." Sie wurde kreidebleich, dann rot und ich merkte, dass ich jetzt gehen musste und zwar schnell, nahm meine Jacke und ging aus der Haustür, als mich ein Schwall Wasser aus einer Pfütze an den Hosenbeinen traf, den ein vorbeifahrendes Auto in meine Richtung spritzte.
„Fido! Fido! Aus! Komm hierher!" Ich schlug die Augen auf, leckte meine trockenen Lippen und schaute an mir herunter. Eine kleine schwarz-weiß gescheckte Promenadenmischung lief mit krummen Gang den Gehweg entlang und in der Dämmerung leuchtete mir das rosa Hundearschloch freudig zu. Der Drecksköter hatte mir das Hosenbein vollgepisst und erst dachte ich, ich hätte mich selbst angepisst, bis ich merkte, dass ich gar nicht bei Michaela Schmidt war, sondern dass mir einer in der Hose abgegangen war. Gut, dass es dunkel wurde. Ich schwang mich auf Rad, fuhr nach Hause und hatte dabei schon wieder dicke Eier.
Der nächste Tag brachte nicht viel Neues, keine Englisch- und auch kein Sportunterricht und Michaela Schmidt nur aus der Ferne auf dem Gang. Mir war der gestrige Abend noch so peinlich, dass ich mich unwillkürlich hinter einer Säule versteckte, ...
... als sie in meine Richtung schaute. Ich fuhr heim, duschte mich und ging dann zur Arbeit ins Archiv.
Lustlos schob ich Akten hin und her, räumte ganze Stapel in Regale und blieb natürlich wieder an der Akte Schmidt, Michaela hängen. Irgendetwas musste es doch geben. Ich blätterte die Seiten durch und hoffte auf eine Eingebung, als ich den Absatz fand: „Die Angeklagte wird zur Bewährung wegen guter Führung entlassen. Die Bewährungsfrist beträgt vier Jahre. Sollte die Angeklagte während der Bewährungsfrist mit Urkundenfälschungen in Verbindung in Zusammenhang gebracht werden, muss sie die Reststrafe von sechs Jahren unmittelbar antreten."
Während ihrer Arztzeit war ein Patient gestorben und die Klinikleitung hatte sie als Sündenbock hergenommen, um die Schadensersatzforderungen der Familie auf sie abzuwälzen. Deshalb war auch das Strafmaß so hoch. Für eine Urkundenfälschung waren elf Jahre schon happig veranschlagt. In dieser Nacht schlief ich unruhig und eigentlich nur auf dem Rücken wegen meinem Dauersteifen.
Am Ende der ersten Pause stand ich im Flur schräg vor dem Lehrerzimmer hinter einer Säule und tat so, als müsste ich eine Strafarbeit abholen. Als Michaela Schmidt an mir vorbeiging, murmelte ich leise aber nicht zu leise: „Hallo, Frau Doktor Fischer." Ihr Schritt verlangsamte sich unmerklich, dann drehte sie sich abrupt zu mir um, blickte kurz in den Gang und als sie sich vergewissert hatte, dass sonst niemand auf dem Gang war, trat sie ganz dicht an mich heran, ...