1. An die Substanz 01


    Datum: 13.07.2018, Kategorien: Nicht festgelegt,

    Substanz 1
    
    Michaela Schmidt kam nach den Sommerferien in unsere Schule. Sie unterrichtete Englisch und Sport. Unter anderem auch in unserer Klasse, der letzten vor dem Abitur. Ich war mittlerweile mit meinen 19 Jahren einer der Ältesten in der Klasse, hatte ich doch Ehrenrunden hinter mir und damit verbunden einen Rausschmiss aus dem elterlichen Haushalt, der mit meinen Leistungen nicht zufrieden war und mich einfach auf die Straße setzte.
    
    Vor Gericht und mithilfe des Jugendamtes erstritt ich mir eine Apanage, die mich während meiner letzten beiden Schuljahre ausreichend unterstützte. Ich konnte mir also eine kleine Wohnung leisten und musste für mein Essen zweimal in der Woche arbeiten, was mir aber sehr viel Spaß machte.
    
    Über meinen Onkel, der mit seinem Bruder einen alten Geschwisterkampf fortführte, erhielt ich einen Nebenjob im Archiv des Amtsgerichts und konnte meine Arbeitszeiten relativ frei wählen. Ich war für den Bereich K - L für die Ablage und Wiedervorlage von Prozessakten zuständig.
    
    Als dann im August mein letztes Schuljahr begann, staunte ich nicht schlecht, als zur ersten Englischstunde Michaela Schmidt in die Klasse kam, sich qua Erscheinung umgehend Ruhe und Aufmerksamkeit verschaffte und sich mit dem üblichen Text: "Mein Name ist Michaela Schmidt und ich unterrichte hier an der Schule Englisch und Sport." vorstellte und ihren Namen an die Tafel schrieb.
    
    Alle 25 Schülerinnen und Schüler saßen da und nickten ihr zu. Es muss gesagt ...
    ... werden, dass Michaela Schmidt ein absoluter Hingucker war und ich mich fragte, wie sie den Weg ins Lehrerzimmer, aus dem Lehrerzimmer heraus und in unsere Klasse gefunden hatte, ohne von einem ihrer männlichen Kollegen, wenn nicht schon angesprochen und stotternd um ein Date gebeten, angegrapscht oder gleich in einen freien Raum gezogen worden war und missbraucht geworden war. Ich war fasziniert und hingerissen.
    
    Am meisten faszinierte mich, dass ich sie schon kannte. Aus einem Zusammenhang, der mit meinem Nebenjob zu tun hatte. Bei der etwas langweiligen Tätigkeit Prozessakten zu sortieren und zu archivieren, schaute ich mir ab und zu auch die Fälle an, mit denen ich "zu tun" hatte. Dabei fiel mir Michaela Schmidts Foto auf. Laut Prozessakten war sie 29 Jahre alt, in Essen geboren, ledig und die letzten fünf Jahre wegen Urkundenfälschung in der JVA Hagen inhaftiert gewesen. Sie hatte sich als Ärztin ausgeben wollen, aber ihr etwas zu jugendliches Alter führte dann einen abgewiesenen Oberarzt dazu, ihr zur dieser außergewöhnlich langen Freiheitsstrafe zu verhelfen. Leider war die Richterin, die ihren Fall behandelte die Schwester der Frau des Oberarztes und weil die Welt so klein war, war sie auch so gemein. Nur hieß die verurteilte Frau nicht Michaela Schmidt, sondern Gabriele Frisch. Aber sie war es eindeutig oder sie hatte eine Zwillingsschwester.
    
    Zack, so etwas konnte ich mühelos abrufen. Das Abi sollte mir also keine Schwierigkeiten bereiten. Ich verfolgte die erste ...
«1234...7»