1. HomoLepus 10


    Datum: 01.06.2018, Kategorien: Romane und Kurzromane,

    ... vor und verschwand vom Fenster.
    
    Im Nachhinein habe ich mich gewundert, wofür sie normalerweise das Fernglas benutzte. Immerhin war es in der Nähe des Fensters deponiert worden und in mir keimte ein leiser Verdacht auf, der mich zum Grinsen brachte. Konnte es etwa sein, dass die junge Dame sehr neugierig war, besonders interessiert an anderen Menschen ohne das sie davon wussten? Sicher selten, aber warum nicht. Aber vielleicht war es alles nur Blödsinn und das Glas hatte wirklich nur aus Zufall dort gestanden. Ein Arger, der Böses dabei denkt. Ich beschloss, dem auf den Grund zu gehen. Zeit hatte ich ja genug und es würde sicher interessant werden.
    
    Anna kam erst recht spät in die Wohnung. Sie sah gestresst aus und hatte keine Lust dazu zu lernen oder sich mit mir zu beschäftigen. Sie begrüßte mich nur kurz mit einem Küsschen auf die Nasenspitze, schlurfte in die Küche und machte sich dann eine große Stulle mit viel Wurst darauf. Dann verschwand sie im Wohnzimmer und machte den Fernseher an.
    
    Ich ging ebenfalls ins Wohnzimmer, setzte mich allerdings nicht mit auf das Sofa, sondern bezog hinter dem Fenster Posten. Hier setzte ich mich in einen bequemen Sessel, der dort stand, und nahm ein Buch, um etwas zu lesen.
    
    Da ich im Wohnzimmer keine Gardinen hatte, konnte ich, wenn ich meinen Kopf hob, direkt aus dem Fenster nach gegenüber schauen. Wenn sich also etwas tat, dann würde ich es von hier aus sehen können.
    
    Zuerst tat sich natürlich gar nichts. Alles in der ...
    ... gegenüberliegenden Wohnung war dunkel und machte einen verlassenen Eindruck. Zumindest konnte man keinerlei Bewegungen wahrnehmen. Doch dann sah ich etwas. Ein kleines bisschen Licht viel von hinten auf die Vorhänge und verschwand schon wenig später wieder, als wenn nichts gewesen wäre. Sicher war sie gerade nach Hause gekommen und hatte das Licht im Flur angemacht. Anders konnte ich es mir nicht erklären.
    
    Wenig später sah ich dann, wie sich der eine Vorhang langsam öffnete. Er schob sich nur ganz wenig auseinander, aber weit genug, um dazwischen hindurchsehen zu können.
    
    Wenn man jetzt genauer hinsah, konnte man eine einzige, runde Öffnung erblicken. Eigentlich hatte ich vermutet, dass ich ein Fernglas zu sehen bekam, aber das da war auf alle Fälle ein Kaliber größer. Anscheinend hatte sie ein Teleskop hinter den Vorhang gebracht und sah nun hindurch. Also nahm ich an, dass das Fernglas nur für den schnellen Blick zwischendurch gedacht war. Normalerweise machte sie es mit einer wesentlich größeren Auflösung.
    
    Auf die Entfernung musste sie alles sehen können, was sie wollte. Wenn das Teleskop nicht von der billigsten Sorte war, konnte sie damit sicher bestimmen, was wer auf seinem Brot hatte und nicht nur ob es Wurst oder Käse war, sondern auch noch welche Sorte.
    
    Was sie sich allerdings im Moment anschaute, das konnte ich nicht sagen, da ich nur das Ende des Rohres sah. Welchen Winkel es eingenommen hatte, konnte ich dagegen nicht bestimmen. Es konnte also genauso auf ...
«12...8910...18»