Weeslower Chroniken Teil 1 - Nadine - 1997
Datum: 24.03.2018,
Kategorien:
Kunst,
... Und ließ doch alles offen. Einige Augenblicke zögerte sie noch, dann drückte sie auf Senden.
Es tat sich nichts. Nach zehn Minuten war ihre Zeit um, dann entschloß sie sich, auszuschalten und zu gehen.
Auch am nächsten Tag gab es keine Reaktion. Auch nicht am übernächsten. Schon zweifelte Nadine daran, dass die Adresse richtig war.
Dann kam, drei Tage später, die Antwort:
"Liebe Nadine!
Wie schön von Dir zu hören. Ja, ich war mal wieder in der Nähe und habe Dorothea besucht. Sie ist mir immer eine große Hilfe, wenn ich mal Rat brauche. Mir geht es prima. Ich fühle mich an der neuen Schule, dem Gymnasium Festenwalde, wie zu Hause, und auch mein kleines Städtchen, in dem ich wohne, Weeslow, gefällt mir sehr, vor allem wegen der herrlichen Natur und dem wunderschönen Badesse (kennst Du den? Gibt es erst seit etwa sieben Jahren, waren früher Kiesabbaugruben, die nun zu einem Badesee zusammengeführt wurden.) Und hier wohnen viele, sehr interessante Menschen, irgendwie eine kleine Enklave von Stadtflüchtern, Lebenskünstlern, echten Künstlern und bildungshungrigem Landvolk.
Was machst Du? Du bis nächstes Jahr mit dem Abi dran, nicht wahr? Schwere Zeit gerade, oder? Vermutlich immer noch das Heine-Gymnasium? Erzähle mir gern ein bisschen von Dir. - Übrigens, erinnerst Du Dich noch an die Geschichte mit dem rosa Melkschemel? Den habe ich immer noch - der gehört Dir! Ich bringe ihn Dir bei nächster Gelegenheit - oder Du kommst mal vorbei. Vielleicht führt Dich ...
... ja der Weg mal nach Weeslow - da kommt man in der Nähe vorbei, wenn man über Landstraßen von Berlin aus Usedom oder so erreichen will. Du bist dann herzlich eingeladen vorbeizukommen!
Liebe Grüße
Michael (lass bitte das Siezen sein, wir sind ja nicht mehr in der Schule!)"
Nadine konnte es kaum glauben. Sie hatte sogar eine Einladung von ihm erhalten. Oh, wie gern würde sie dem folgen. Sofort, wenn möglich... Die drei Tage Wartezeit auf die Mailantwort hatten sie innerlich sehr beschäftigt, hatten eine regelrechte neuentfachte Sehnsucht nach ihm ausgelöst. Sie musste sofort antworten.
"Hallo Michael (danke für das Du!),
ich habe Weeslow auf der Karte entdeckt, so weit weg ist das ja gar nicht :-). Allerdings habe ich noch keinen Führerschein, also müsstest Du kommen, um mir meinen Schemel zu bringen. Ich habe ihn schon sooo vermisst.
(Habe übrigens immer nur an Wochentagen zwischen 12.30 Uhr und 13.00 Uhr die Möglichkeit, zu schreiben - von der Schule aus. Zu Hause haben wir kein Internet.)
Liebe Grüße Nadine"
Diesmal ließ die Antwort nicht lange auf sich warten, sie kam sofort.
"Das kommt mir bekannt vor, ich schreibe auch von der Schule aus, da in meinem Haus noch gar nichts funktioniert, nicht mal das Telefon. Deshalb kann ich auch im Moment nur schlecht hier weg: Ich baue mir ein altes Haus aus und will in zwei, drei Wochen so weit fertig sein, dass ich zumindest mit fließendem Wasser und Strom darin wohnen kann. - Und was machst Du in den ...