1. Weeslower Chroniken Teil 1 - Nadine - 1997


    Datum: 24.03.2018, Kategorien: Kunst,

    ... eigentlich nicht. Sieht immer noch klasse aus, Dein Theater-Lehrer."
    
    Nein, ihre Mutter wusste von nichts, das war Nadine klar. Diese letzte Bemerkung war nur einfach neckend dahingeworfen.
    
    Doch mehr war über ihn so nicht herauszufinden, also löffelte sie still weiter ihr Müsli, räumte den Tisch ab, ging dann nach oben, duschte und zog sich ein Sommerkleid an.
    
    Immerzu musste sie nun an Schneider denken, und den ganzen Nachmittag lang, den die Familie bei der Großmutter verbrachte, saß Nadine dort wie auf glühenden Kohlen. Wie konnte sie nur mehr über ihn herausfinden? Vielleicht über Dorothea, die Pastorin, die er besucht hatte.
    
    Am nächsten Nachmittag lief sie direkt vom der Schulbushaltestelle in der Stadtmitte hinüber zum Pfarrhaus. Dorothea, die Pastorin, war zu Hause, Nadine konnte sie schon durch das Küchenfenster neben der Eingangstür sehen.
    
    "Nadine, hallo, was kann ich für Dich tun?" Hinter der großen blonden Pastorin erschien ein neugieriges blondes Mädchen, etwa vier Jahre alt und fiel der Besucherin sofort freudig in die Arme. Nadine hütete ab und zu ein und spielte für die kleine Marie Babysitterin.
    
    Sie hatte sich vorgenommen, keine allzu umständliche Geschichte zu erzählen, sondern gleich zur Sache zu kommen: "Meine Mutter hat mir erzählt, dass Michael Schneider bei Dir zu Besuch war."
    
    "Das stimmt."
    
    "Hast Du seine Adresse? Oder Telefonnummer?"
    
    Dorothea zögerte einen Moment. Aber dann sah sie keinen Grund, Nadine nicht zu geben, was sie ...
    ... wollte. "Ich habe eine Telefonnummer von ihm, und eine Mailadresse. Warte."
    
    Sie ging hinein. Nadine zog auf den Stufen abwechselnd mit Marie Grimassen, um sich die Zeit zu vertreiben. Dann gab die Pastorin dem Mädchen einen Zettel. "Ehrlich gesagt, ich weiß gar nicht, ob diese Nummer noch aktuell ist, aber die Mailadresse ist es auf jeden Fall, ich habe gerade letzte Woche eine Mail von ihm bekommen."
    
    Nadine bedankte sich artig und verabschiedete sich eilig. Mailadresse! Sie musste schmunzeln. Wir haben zu Hause nicht mal Internetanschluß! Aber an der Schule hatte sie ein Postfach eingerichtet bekommen, in der Computer-AG, und immer nachmittags ab 12.30 Uhr durften sich die Schüler der AG für eine halbe Stunde "einloggen".
    
    Doch was sollte sie schreiben? Oder doch lieber anrufen?
    
    Am nächsten Tag nach dem Mittagessen ging sie in den Computerraum der Schule, eher ein alter Abstellraum, dafür mit immerhin acht neuwertigen Computern. Sie war allein. Sie schaltete einen der PC an und brachte über das rauschende Modem eine Internetverbindung zustande, dann öffnete sie ihr Postfach. Und nun? Sie musste sich beeilen, die halbe Stunde war schon zur Hälfte vorbei.
    
    "Lieber Michael Schneider ,
    
    meine Mutter hat mir Ihre Grüße bestellt. Herzlichen Dank, ich habe mich sehr gefreut! Wie geht es Ihnen? Lange habe ich schon nichts mehr von Ihnen gehört. Vielleicht haben Sie ja mal Lust, sich zu melden.
    
    Liebe Grüße
    
    Nadine Bauer"
    
    Das war absolut unverfänglich, fand sie. ...
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