1. Migration


    Datum: 23.03.2018, Kategorien: Betagt,

    ... wissen.
    
    „Überwiegend Paare", nickte Suri. „Wir haben nur wenige Einzelpersonen in der Gruppe. Dazu gehört zum Beispiel Milad, unser Sohn. Er ist in Afghanistan aufgewachsen und vor einigen Jahren als Jugendlicher nach Deutschland geflüchtet. Wir haben ihn damals adoptiert. Beim Nacktyoga haben wir ihn allerdings anfangs nur mitmachen lassen, wenn wir mit ihm allein waren. Wir wussten nicht, wie die anderen auf die Teilnahme eines Minderjährigen reagieren würden. Untereinander gehen Erwachsene ja schon mal recht ungezwungen miteinander um. Aber jetzt ist er immer mit dabei. Inzwischen ist er zwanzig."
    
    Vielleicht hätten mir die letzten Sätze zu denken geben können, aber ich maß ihnen keine Bedeutung bei. Wie es schien, war damit erst einmal das Wichtigste gesagt. „Wenn Sie noch weitere Fragen haben, können Sie die gern stellen."
    
    Von Kati kam keine Reaktion. So schüttelte auch ich den Kopf und meinte, im Moment hätte ich noch keine.
    
    „Wenn Sie wollen, können Sie übermorgen Abend gern einmal probeweise bei uns mitmachen. Sie wären uns jedenfalls willkommen", bot Anil an. „Danach können Sie sich dann endgültig entscheiden."
    
    Kati und ich sahen uns wieder an. Nach so vielen Ehejahren verrät oft schon der Gesichtsausdruck, was der andere denkt. „Entscheide du das", besagte Katis Miene, „ich halte mich raus."
    
    Nacktyoga -- hatte ich nicht schon mal vor einiger Zeit in einer Fernsehsendung einen Bericht über Leute gesehen, die das machten? Also war es vielleicht ...
    ... gar nicht so abwegig was uns hier unterbreitet wurde, für uns aber sicher gewöhnungsbedürftig. Nackt zusammen mit und vor anderen Menschen alle möglichen Körperverrenkungen auszuführen, darauf lief es doch wohl hinaus. Seltsamerweise stellte ich mir nicht etwa die Frage, wie ich dann meine eigene Nacktheit empfinden würde. Halten Sie jetzt von mir, was Sie wollen, aber ich stellte mir in diesem Moment lediglich vor, wie meine nackte Frau den anderen Teilnehmern in allen möglichen Posen die intimsten Winkel ihres Körpers offenbarte -- und ich fühlte schamloserweise Erregung in mir aufsteigen.
    
    „Ich denke, wir machen das", sagte ich, möglicherweise eine Spur zu hastig. Vielleicht wollte ich mich selbst an längerem Nachdenken hindern, um mich nicht doch noch anders zu entscheiden.
    
    Anil und Suri lächelten freundlich. Anschließend zeigten sie uns ihren Yoga-Raum, der sich in einer aufwendig ausgebauten Scheune befand. Der Hauptraum besaß die Dimensionen einer kleinen Halle. Zusätzlich gab es dort Umkleideräume mit Duschen und den üblichen sanitären Anlagen. Wir waren beeindruckt. Nebenbei erfuhren wir, dass Anil viele Jahre Handelsattaché gewesen war, bevor er sich zur Ruhe setzte und die beiden sich ihrer Leidenschaft, dem Yoga, widmen konnten. Das erklärte den Wohlstand, den das ganze Anwesen ausstrahlte, und wohl auch, dass sie es nicht nötig hatten, ihre Yoga-Schule kommerziell zu betreiben.
    
    Zwei Tage danach stand unsere erste Yoga-Stunde an. Anil machte bei unserem ...
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