Migration
Datum: 23.03.2018,
Kategorien:
Betagt,
... Berechtigung, denn es handelte sich tatsächlich um ein indisches Paar, das allerdings fließend deutsch sprach. Beide trugen ihre grauen Haare lang, wodurch vor allem der Mann an einen indischen Guru erinnerte. Ich schätzte sie etwa zehn Jahre älter als uns, was ich beruhigend fand. Da ging es vielleicht weniger ehrgeizig und schweißtreibend zu als bei jüngeren Trainern. Andererseits war ihr Yoga ja vielleicht besonders authentisch. Suri war eine zierliche Frau, wie man es oft bei Inderinnen sah. Auch Anil war schlank. Fit wirkten sie also durchaus.
Bereits bei der telefonischen Terminabsprache hatte ich erklärt, dass wir völlige Anfänger waren. Das schien jedoch kein Hindernis zu sein.
„Bevor wir hier auf Einzelheiten zu sprechen kommen, müssen wir eine grundsätzliche Frage klären", begann Anil nach den üblichen Begrüßungsfloskeln, „weil sich sonst jedes weitere Gespräch erübrigen könnte. Haben Sie ein Problem mit Nacktheit?"
Kati und ich sahen uns verblüfft an. Was hatte diese Frage mit Yoga zu tun? „Wir beide voreinander nicht", wäre mir fast herausgerutscht. Aber ich verkniff mir die flapsige Antwort, denn darauf zielte die Frage wohl kaum ab. Abgesehen von unseren Bettaktivitäten und der Körperhygiene verbanden wir mit Nacktheit keine besonderen Ambitionen. Aber wir ereiferten uns auch nicht moralisch über nackte Tatsachen.
„Eigentlich nicht", war meine vorsichtige Antwort.
„Ich sage Ihnen gleich offen, was hinter der Frage steckt", erklärte Anil. ...
... „Wir führen unsere Yogaübungen nackt aus. Wer bei uns mitmachen will, kann sich davon natürlich nicht ausschließen."
Vermutlich wirkten wir jetzt ein wenig konsterniert.
„Wir sind keine fanatischen Anhänger der Freikörperkultur, falls Sie das jetzt glauben. Die gehen mit ihrer Nacktheit ja auch oft sehr verklemmt um", fuhr er fort. „Auch keine Sekte oder etwas in der Art. Wir haben einfach die Erfahrung gemacht, dass die befreiende Wirkung von Yoga und das Befreien von Kleidern ideal miteinander harmonieren. Das Körpergefühl ist intensiver und man ist entspannter, wenn man dabei nackt ist."
„Sehen Sie", schaltete sich nun Suri ein, „bei uns findet Yoga ja in der Gruppe statt. Nackt sind alle gleich, in diesem Sprichwort steckt viel Wahres. Und das ist wichtig in unserer Gruppe, es verbindet. Nacktyoga im Kreise anderer baut gegenseitiges Vertrauen auf, ist aber auch gut fürs Selbstbewusstsein. Wenn alle nackt sind, gibt es keine Eitelkeiten, man kann nichts verstecken. Ihnen muss klar sein, dass wir dann sehr viel voneinander sehen, um nicht zu sagen alles. Das ist gerade für Frauen anfangs oft nicht so einfach."
„Wobei", übernahm wieder der Mann, „sich eine gewisse erotische Seite auch gar nicht bestreiten lässt. Deswegen sitzt auch meine Frau mit am Tisch. Sonst könnte man vielleicht auf den Gedanken kommen, dass sich hier nur ein alter Mann einen Vorwand ausgedacht hat, um nackte Frauen zu begucken."
„Sind denn noch andere Paare dabei?", wollte ich jetzt ...