Lebenslinien - Kapitel 1 - Blindflug
Datum: 15.07.2025,
Kategorien:
Transen
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... auf dem falschen Dampfer.
Die meisten Transen, die Hormone nahmen, gingen Not gedrungen den offiziellen Weg über Ärzte und Psychologen. Aber das war langwierig. Ich kannte auch Einige, von denen ich mir ab und zu Tabletten geben ließ, weil sie inzwischen überwiegend Spritzen, Hormonpumpen oder Pflaster verwendeten. Doch insbesondere oral einzunehmenden Präparate machten nichts leichter. Im Gegenteil. Wenn ich sie wieder absetzte und danach ihre Wirkung nachließ, was meist ganz plötzlich erfolgte, überkam mich das Sucht-artige Verlangen nach weiterer Einnahme, weil ich keinen Nachschub erhielt. Ich fühlte mich dann wie ein Junky mit Entzugserscheinungen. Sie belasteten außerdem die Leber-Vorstufe. Nach vorübergehend eintretender, scheinbar emotionaler Beruhigung wurde der Drang eine Frau zu sein und erneut Hormone zu nehmen, von Mal zu Mal zwingender. Es gab Tage, an denen ich mich heulend im Bett verkroch oder das Gefühl hatte, ich müsse die Wände hoch gehen. Ich hatte trotz Allem keinen Bock auf Seelenstriptease und Behördengänge.
Der offizielle Weg, im Rahmen des Transsexuellengesetzes, führte ausschließlich über Arzt und Psychologen zur HRT.
Sollte ich aber ausgerechnet Psychologen über mich entscheiden lassen…, etwa ob sie mir gnädigerweise ein positives Gutachten ausstellten, das mir Zugang zu einer HRT verschaffte? Was ich während der Schulzeit beim Stichwort ‚Schulpsychologe‘ empfunden hatte, erschien mir nun erst recht als Horror. Ich hatte auf meinem ...
... Laptop Fragebögen aus dem Internet mit Aussagen betroffener Transsexueller verglichen und kam zu dem Schluss, dass nicht wenige Mitglieder dieses Berufsstandes irgend wie hinter dem Mond lebten und bei diesem Thema offensichtlich ein Brett vor dem Kopf oder ein Problem mit sich selbst hatten. Menschen wie ich wurden nicht differenziert betrachtet sondern über einen Kamm geschoren. Transsexualität wurde als krankhafte Modeerscheinung verunglimpft und gehörte nach Meinung dieser ewig Gestrigen in die Schublade der sexuellen Abartigkeit. Zumal dahinter auch politischer Konservatismus stand. Wenn viele berichten, sie fühlten sich im falschen Körper gefangen, dann heißt das doch, ich lebe im falschen Geschlecht. Wenn das nicht sexuellen Charakter hat, was denn sonst? Folglich lief doch in den Köpfen dieser sogenannten Experten etwas grundsätzlich falsch, wenn sie (Sexuell) mit (Abartig) gleich setzten, nur weil von Menschen wie mir in ihren Augen gesellschaftliche Normen unterlaufen wurden. Ein solches Verhalten zwingt geradezu den Gedanken auf, Experten seien Leute, die auf einem extrem hohen Niveau keine Ahnung haben. Kaum zu glauben, dass wir das Jahr 2004 schrieben. Wissenschaftlich anerkannt waren deren Analysen und Methoden ohnehin nicht. Das Alles glich eher einer Art Kaffeesatz-Leserei.
Dieses Gesetz, inzwischen war der Gesetzgeber zur Novellierung aufgefordert worden, verstieß in Teilen gegen das neuere Antidiskriminierungsgesetz, wurde bislang jedoch nicht geändert. Und ...