1. Rapunzel 02


    Datum: 21.02.2018, Kategorien: Romane und Kurzromane,

    ... Mädchen, jetzt komm schon."
    
    Mit geschlossenen Augen ließ sie das leichte Rütteln an ihrer Schulter über sich ergehen. Sie wollte immer noch nichts von der Welt da draußen wissen. Irgendwann hörte das Schütteln auf, aber dafür wurde ihr plötzlich mit einem Ruck die Bettdecke weggezogen. Empört quiekte sie auf und versuchte reflexartig, noch einen Zipfel der Decke zu erhaschen. Umgehend wurde sie an Handgelenk und Hüfte gepackt und auf den Rücken gedreht. Sie schlug die Augen auf und blitzte Mick, der sich über sie beugte und fest im Griff hatte, zornig an.
    
    „Verdammt noch mal", sagte er fast verzweifelt, „warum hast du dir keinen Wecker gestellt? Du musst los!"
    
    Tanita schnaubte nur und schloss die Augen wieder, woraufhin Mick sie erneut schüttelte. „Bitte nicht schon wieder! Schweig von mir aus, aber guck mich wenigstens an. Bitte, mein Mädchen!"
    
    Mein Mädchen.
    
    Gestern hatte sie sich vorgenommen, ihn zu hassen, ohne sich über den Grund dafür im Klaren zu sein. Sie wollte es einfach. Wollte ihre Ruhe vor ihm. Hatte keine Lust mehr. Er war ein Scheißkerl. Magnus war ein Scheißkerl. Aber sie gingen ihr beide nicht aus dem Kopf, verfolgten sie bis in den Traum.
    
    „Tanita..."
    
    Wieso klang seine Stimme so merkwürdig? Ohne es zu wollen, öffnete sie die Augen ein zweites Mal. Mick wandte den Kopf ab, aber sie sah noch, wie er blinzelte und schluckte.
    
    „Weinst du?", fragte sie heiser. Ihr Hals fühlte sich trocken und kratzig an, weil sie seit gestern Nachmittag ...
    ... nichts mehr getrunken hatte.
    
    Jetzt war er es, der ihr eine Antwort schuldig blieb. Er ließ sie los und fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen.
    
    In diesem Moment konnte Tanita ihn einfach nicht mehr hassen. Noch nie hatte Mick irgendetwas so mitgenommen, dass er deswegen geweint hätte -- zumindest nicht in ihrer Gegenwart. Sogar als ihre Eltern gestorben waren, hatte er seine Trauer beiseite geschoben um ihr Halt zu geben. Und jetzt saß dieser Kerl, den sie fast ausschließlich stark kannte, zusammengesunken neben ihr und weinte.
    
    Sie gab ihren Widerstand auf und nahm ihn in die Arme. Er vergrub das Gesicht in ihrem Haar und erwiderte die Geste, hielt sie so fest, als könnte sie jeden Moment einfach verschwinden.
    
    „Warum weinst du?", fragte Tanita leise, als er sich ein wenig beruhigt hatte und sein Griff sie nicht mehr zu ersticken drohte.
    
    Mick stieß zischend die Luft aus, sein Atem fuhr heiß an ihrem Hals entlang.
    
    „Warum machst du das mit mir?", fragte er zurück. „Du... du behandelst mich wie den letzten Dreck.
    
    Warum?
    
    Was hab ich dir denn getan?"
    
    Die Antwort war da, in ihr drin, aber sie konnte sie nicht in Worte fassen, also schwieg sie. Verzweifelt stöhnte er auf und schob sie von sich. Verletzung sprach aus seinem Blick.
    
    „Jetzt fängst du wieder an. Warum redest du nicht mehr mit mir? Ich dachte gestern, du wärst krank, aber... Was ist es denn, verflucht? Sag es mir!
    
    Was willst du?"
    
    Müde rieb sie sich die Stirn. In ihrem Kopf und Herzen ...