Rapunzel 02
Datum: 21.02.2018,
Kategorien:
Romane und Kurzromane,
... weiterhin in ihrer Nähe aufzuhalten. Also stand er langsam auf und schlich wie ein geprügelter Hund aus dem Schlafzimmer.
Jetzt hockte er in einer Mischung aus Ratlosigkeit und Verzweiflung im Wohnzimmer auf dem Sofa und würgte die Tränen herunter, die sich in seinem Hals aufgestaut hatten. Die letzte Zeit war Tanita doch so ausgelassen gewesen, noch heute früh erst hatte sie ihn fast stürmisch zum Abschied umarmt. Wie passte da dieser... dieser Zusammenbruch ins Bild?
Irgendwann ging er in die Küche um sich etwas zu essen zu machen. Sollte er noch einmal zu ihr gehen und sie fragen...? Sie musste doch etwas essen. Aber andererseits wollte sie in Ruhe gelassen werden -- und noch einmal so eine Verletzung wie vorhin einzustecken, dazu fühlte er sich nicht in der Lage.
Lass mich einfach in Ruhe.
Bis sie diesen Satz ausgesprochen hatte, war Mick nicht bewusst gewesen, wie weh Worte tun konnten. Während er sich mechanisch ein Brot mit Butter beschmierte -- Hunger hatte er eigentlich ebenfalls keinen, geschweige denn Appetit -- spürte er erneut, wie es war, als sie ihn weggestoßen hatte. Wie war so etwas nur möglich, nach tausenden „Mick, ich liebe dich" und ebenso unzähligen „Mick, ich will dich"?
Lustlos kaute er auf dem Brot herum. Allmählich mischte sich wieder so etwas wie Wut in die Angst, die er um sein Mädchen hatte. Er würde verdammt noch mal eine Erklärung von ihr verlangen, wenn sie wieder ein normales Verhalten an den Tag legte.
Kurz vor sieben. Die ...
... Zeit wollte einfach nicht vergehen. Wenn er den Fernseher einschaltete, würde er Tanita nur stören. Er könnte über Kopfhörer zumindest Musik hören oder etwas lesen, aber für beides hatte er keinen Nerv. Der Abend war definitiv gelaufen, im Grunde genommen konnte er auch jetzt schon ins Bett gehen.
Wenn sie mich denn nicht gleich rausschmeißt, dachte er mit einem Anflug von Galgenhumor.
Leise öffnete er die Schlafzimmertür. Ein Lichtstreifen fiel aus dem Flur auf das Bett. Tanita hatte inzwischen auch Jeans, Sweatshirt und Socken ausgezogen und sich unter der Bettdecke vergraben. Die Sachen lagen achtlos hingeworfen auf dem Boden. Das sah ihr nun absolut nicht ähnlich -- ihr, die schon mit ungefähr elf Jahren angefangen hatte, hinter ihm herzuräumen. Behutsam trat er ans Bett, hob die Kleidungsstücke auf und legte sie auf einen Stuhl. Fast scheu beugte er sich anschließend über sie, damit rechnend, ihrem erschreckend ausdruckslosen Blick zu begegnen.
Aber sie schlief schon, die Decke bis zur Nase hochgezogen. Auf ihren Wangen erkannte Mick selbst im schwachen Licht deutliche Spuren von Tränen.
Diesmal konnte er es nicht verhindern, dass er nasse Augen bekam.
Ich bin doch immer für dich da, mein Mädchen. Warum erzählst du mir denn nichts? Warum vertraust du mir nicht?
Jedenfalls konnte er sich jetzt ziemlich sicher sein, dass sie nicht krank war, sondern traurig und verzweifelt. Aber besser war das bestimmt nicht.
„Tanita! Aufwachen, du musst zur Uni. Hey, ...