Rapunzel 02
Datum: 21.02.2018,
Kategorien:
Romane und Kurzromane,
Der Bus ratterte und quietschte, als drohte er jeden Moment auseinanderzufallen. Die anderen Fahrgäste schien das nicht zu stören, die meisten schauten gleichmütig aus dem Fenster, einige hatten die Kopfhörer ihres iPods in die Ohren gestöpselt oder lasen. Das hieß dann wohl, dass alles in Ordnung war.
Allmählich entspannte Tanita sich und schaute ebenfalls aus dem Fenster. Sie war noch nie in einem Bus unterwegs gewesen, zumindest nicht, dass sie sich erinnern konnte. Erstaunlich, was diese Linie für einen Umweg fuhr. Aber laut Fahrplan, den sie sich im Internet gestern noch angeschaut hatte, war sie am praktischsten um schnell zur Uni zu kommen.
Tanitas anfängliches Unbehagen legte sich zusehends. Mick behauptete immer, ein Mädchen wie sie würde überall die Aufmerksamkeit der Leute auf sich ziehen, vor allem von solchen, die ihr nicht wohlgesonnen waren. Deshalb bestand er unter anderem darauf, dass sie ihre langen Haare zu einem schlichten, langweiligen Zopf geflochten trug, außer wenn sie mit ihm allein war. Sie blickte sich unauffällig in ihrer Umgebung um. Starrte sie irgendjemand an? Nö. Alle mit sich selbst beschäftigt.
Tja, Mick, du hast eben nicht mit allem recht.
An der Uni war sie schließlich auch nur eine von vielen. Mochte ja sein, dass Mick in ihr etwas Besonderes sah, aber ansonsten interessierte sich niemand für sie. Außer... außer Magnus vielleicht.
Schon wieder eine Bushaltestelle. Meine Güte, sie hatte das Gefühl, überhaupt nicht ...
... voranzukommen. Eine Handvoll junger Leute stieg ein, dem Anschein nach ebenfalls Studenten. Den großen Kerl mit blondem Wuschelkopf unter ihnen kannte sie doch. Wenn man vom Teufel sprach...
Magnus entdeckte sie fast sofort und ließ sich ihr gegenüber in den Sitz plumpsen.
„Hey", strahlte er sie an. „Heute ohne Wachhund unterwegs? Wie kommt denn das?"
„Er liegt im Krankenhaus", erwiderte Tanita trocken.
Augenblicklich verschwand das Lachen aus seinen Augen und machte ehrlicher Betroffenheit Platz. „Ach du Scheiße. Was ist denn mit ihm -- ich meine, wenn ich fragen darf?"
„Arbeitsunfall. Hat was auf den Kopf bekommen." Als sie Magnus' erschrockenes Gesicht sah, fügte sie schnell hinzu: „Ist aber nicht so schlimm, wie es hätte sein können. Da war sein Dickschädel ausnahmsweise mal nützlich."
Magnus blies die Backen auf. „Puh. Gott sei Dank. Sonst hätt ich mir den dummen Spruch von eben nie verziehen."
„Unsinn", lächelte sie. „Das konntest du ja nicht ahnen."
„Hat er denn so einen gefährlichen Job? Auf dem Bau oder so?"
„Na ja, es geht. Er ist KFZ-Mechaniker. Ehrlich gesagt hab ich auch nicht ganz verstanden, was ihm da gestern passiert ist. Nicht mal sein Chef schien sich das richtig erklären zu können."
„Ob du 's glaubst oder nicht", meinte Magnus kopfschüttelnd, „das nimmt mich irgendwie richtig mit, obwohl ich ihn gar nicht kenne. Dustin Hoffman im Krankenhaus -- Mann, Mann."
Obwohl Tanita wenig Übung im Smalltalk hatte, fühlte sie sich im Gespräch mit ...