Ein kahles Feld
Datum: 27.01.2018,
Kategorien:
Macht / Ohnmacht
... damit eine Diskussion aus, die noch heute andauert.
„Meine Klientin hat sich die Schamhaare extra für diese Rolle wachsen lassen“, erklärte ihr Anwalt und fügte hinzu, man sei entschlossen, für die Freiheit der Kunst bis zum Bundesverfassungsgericht zu gehen.
Natürlich sah der Staatsanwalt die Sache ganz anders.
„Shakespeare“, erklärte er, „lebte zwar in einer Zeit, als die Schambehaarung noch üblich war, doch ob er seine Desdemona mit oder ohne Schamhaare konzipiert hatte, entzieht sich unserer Kenntnis.
Deswegen, führte der Staatsanwalt weiter aus, würde eine Desdemona, gespielt von einer schamhaarlosen Schauspielerin, genauso glaubwürdig sein, wie jede andere auch, jetzt zu sagen, man habe aus künstlerischen Gründen das Wassergesetz nicht beachten können, sei eine Ausrede und ein Hohn für alle rechtschaffenen Frauen, die sich tagtäglich der schmerzlichen Prozedur unterzögen, um damit dem Vaterland in seiner schwersten Phase beizustehen.
Es gab dann eine Zeitlang heiße Diskussionen um die Freiheit der Kunst, doch der Fall verschwand, wie alle vor ihm, bald von den Wänden und in die Mühlen der Justiz. Dass dies ein paar Monate zuvor mit einem anderen, genauso gewöhnlichen Fall nicht geschehen war, konnte sich jetzt keiner mehr erklären, doch alle Beobachter waren sich einig, es sei Fürstin von Turm und Droschke gewesen, die dem Zottelerlass letztlich zum Durchbruch verhalf. Es begann alles ganz harmlos mit einem Bericht über die Fürstin, die in ihren jungen ...
... Jahren wohl sehr lebhaft war, nun aber zurückgezogen auf der Familienburg lebte. Dass diese Zurückgezogenheit nicht nur mit ihrem Alter zu erklären sei, war natürlich eine Unterstellung des Berichterstatters, aber sie basierte immerhin auf der Tatsache, dass die großen Ländereien der Fürstin jetzt allesamt Wüste und nichts mehr wert waren.
Kurz gesagt, es wurde behauptet, die Fürstin wäre knapp bei Kasse gewesen und ausgerechnet ihr Friseur fühlte sich berufen, dem zu widersprechen: In einem Interview erwähnte er beiläufig, die Fürstin ließe sich nach wie vor jede Woche bei ihm oben und unten frisieren. Das war sicher gut gemeint, aber auch die Wandzeitungen haben Ohren, oder wie das Beispiel der jungen Nonne zeigt, es lesen sie Leute, die ein feines Gespür dafür haben, was erlaubt ist und was nicht.
Skandal, Fürstin lässt's wachsen!, empörte sich als Erste die besagte größte Wandzeitung Deutschlands, dann kam Unglaublich, der Staat sieht tatenlos zu!, und als die Fürstin nur die Minimalstrafe von hundert Euro zu bezahlen hatte, Die kleinen fängt man, die Großen lässt man laufen!, um sich zuletzt mit Deutschland, eine Zweiklassengesellschaft? gleich ins Grundsätzliche zu steigern.
Das Fragezeichen hätte man sich sparen können, aber man konnte eine Fürstin, obwohl Wiederholungstäterin, wirklich nicht zur Zwangsarbeit verurteilen, oder? Man stelle sich nur vor: Eine Fürstin, nackt, auf einem umgebauten Fahrrad! Wenn die Fürstin jung wäre, gut, das könnte noch gehen, aber ...