1. Ein kahles Feld


    Datum: 27.01.2018, Kategorien: Macht / Ohnmacht

    Das höchste Gut von allem ist das Wasser.
    
    Lao Tse
    
    Theo schaute der Frau schweigend zu, als sie hastig ihre Kleider ordnete. Ihre Eile ließ ihn lächeln, er ahnte, wie unangenehm für sie die ganze Prozedur sein musste. Sie tat ihm ein bisschen leid, aber er konnte ihr nicht helfen, das Gesetz schrieb nun einmal diese Kontrollen vor, schon seit gut zwei Monaten waren sie obligatorisch.
    
    Dem war früher nicht so. Wenngleich seit über einem Jahr in Kraft, wurde das Gesetz zunächst nicht konsequent angewandt. Man hatte lediglich an die Bevölkerung appelliert, es freiwillig zu befolgen, aber die wenigsten taten, was sie tun sollten, wie so oft, wenn es darum geht, etwas Sinnvolles freiwillig zu tun. Die Polizei, damals nur bei begründetem Verdacht zu Stichproben berechtigt, berichtete von einer beschämenden Erfolgsquote, und DER SPIEGEL, das größte Wandmagazin Deutschlands für die Gebildeten und immer noch berühmt für sein Archiv, verglich sie flugs mit der Quote beim Anlegen von Sicherheitsgurten in den 70-er Jahren des vorigen Jahrhunderts bevor man daran gegangen war, für das Nichtanlegen Bußgelder zu verhängen. Theo, der damals noch als unreifes Ei in Mutters Schoß schlief, glaubte die Geschichte ohne weiteres, er sah ja selbst, wie sich die Menschen unter Strafandrohung jetzt ganz anders verhielten. Dabei war das Bußgeld mit hundert Euro vergleichsweise niedrig, erst bei Wiederholung drohte Zwangsarbeit, mindestens eine Woche, gut, aber auch das war ein Nichts im ...
    ... Vergleich zu anderen, das Wassergesetz betreffenden Strafen.
    
    Er gab der Frau ihren Identitätsstein zurück und wünschte ihr zum Abschied noch einen schönen Abend. Um sich ein wenig die Beine zu vertreten, folgte er ihr aus seinem provisorischen Unterstand hinaus, doch als er merkte, wie ein paar Passanten sofort ihre Richtung änderten, als sie seiner ansichtig wurden, kehrte er missmutig zurück. Sein Unterstand war zwar nur ein zwischen eng beieinanderstehenden Häusern gespanntes Segeltuch, und doch war es darunter heißer und stickiger als draußen.
    
    Mit Wehmut dachte Theo an die Zeit zurück, als er noch ein junger Verkehrspolizist war. Damals, es müsste bald nach der Jahrtausendwende gewesen sein, hatten sie wegen der von Jahr zu Jahr zunehmenden Hitze zum ersten und einzigen Mal Dienstwagen mit Klimaanlagen bekommen, und es war eine Freude, versteckt wie heute, aber im Kühlen sitzend, zuzusehen, wie ein Wagen nach dem anderen in die Radarfalle ging. Ja, sie rasten alle wie im Rausch damals, gib Gas solange du kannst, hieß die Devise, kein Wunder bei einem Preis von fünf Euro für das Liter Benzin und einer Bundesregierung, die, von einem gewissen Josef Wurmbader angeführt, für die nahe Zukunft das Doppelte versprach. Ein Aufschrei ging durch das Land, aber als dann fünf Jahre hintereinander alles Grün auf den Feldern verdörrte und das Geld für die Lebensmittelimporte statt fürs Erdöl ausgegeben werden musste, kostete der Liter schon das Fünffache.
    
    In den folgenden Jahren ...
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