1. Ein kahles Feld


    Datum: 27.01.2018, Kategorien: Macht / Ohnmacht

    ... meistens nahtlos in die restliche Körperbehaarung über, eine Grenze zwischen den beiden - und damit auch eine etwaige Gesetzesverletzung - sei nicht eindeutig feststellbar.
    
    Dieses Argument schien an Haaren herbeigezogen - die Männer sollten sich gleich alle Körperhaare entfernen, forderten zurecht die Frauen, so könne man noch viel mehr Wasser sparen -, doch die öffentliche Diskussion zeigte bald, dass die Sache weit komplizierter war, als auf den ersten Blick sichtbar; es kommt bei der Umsetzung eines Gesetzes nicht nur auf das Was, sondern auch auf das Wie an. Zuerst wollte man den Bürgern genau vorschreiben, wie sie ihr Schamhaar im Schach halten sollten, doch angesichts der prekären wirtschaftlichen Lage des Landes gab man den Plan auf.
    
    Es gab ohnehin nicht sehr viele Möglichkeiten:
    
    Weil die kleinen, größtenteils auf menschlicher Muskelkraft basierenden Kraftwerke kaum in der Lage waren, die Operationssäle, das Militär und - mit Abstrichen - die Polizei mit elektrischen Strom zu versorgen, fiel alles Strombetriebene von vorneherein aus. Nachdem Wissenschaftler in einem Feldversuch festgestellt hatten, dass eine Nassrasur, einmal wöchentlich ausgeführt, noch gewisse Wasserersparnisse beim späteren Waschen brächte, schien dies eine Alternative zu sein, doch als man berechnet hatte, dass man für den Import der Rasierklingen genauso viel Geld ausgeben müsste, wie sonst für den Import des Wassers, das man damit sparen würde, war auch dieser Plan bald ad acta gelegt. ...
    ... Was blieb, war allein das Zupfen. Gut, bestimmte Bevölkerungsschichten würden sich Rasierklingen oder gar Batterien für die elektrischen Rasierapparate leisten können, und wirklich Betuchte würden sicher in der Lage sein, sich epilieren oder dauerhaft lasern zu lassen, aber für weite Teile der Bevölkerung - das stand schon bei der Verabschiedung des Gesetzes fest - würde nur diese billigste Art der Haarentfernung übrig bleiben.
    
    Und weil man wusste, dass diese Methode nicht ganz schmerzfrei ist, konnte man natürlich nicht gleich die große Lösung, die Entfernung jegliches Körperhaars, anpeilen, denn jedem war klar, dass man damit vor allem die Männer sehr hart treffen und gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen würde. Die Kritiker verwiesen zurecht darauf, dass dies auch für Frauen zu gelten habe, doch sie wurden zum Schweigen gebracht mit dem Hinweis, dass das Gesetz ja alle verpflichte, lediglich in der Anwendung gäbe es für die Männer eine zeitlich begrenzte Ausnahme. Nachdem man noch versichert hatte, das Befolgen des Gesetzes nicht gleich zu kontrollieren, sondern erst einmal auf Einsicht der Betroffenen zu hoffen, legte sich die Aufregung allmählich, lediglich von Zeit zu Zeit, wenn eine Schauspielerin oder sonst eine Prominente negativ auffiel, gab es für ein paar Tage saftige Schlagzeilen.
    
    Desdemonadarstellerin zeigte Schamhaare auf offener Bühne - ist das noch Kunst? titelte zum Beispiel die SCHRIFT-ZEITUNG, die größte Wandzeitung Deutschlands, und löste ...
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