1. Vom Leid des Erwachsenwerdens


    Datum: 24.12.2017, Kategorien: Romane und Kurzromane,

    ... Wort mit ihr gewechselt habe. Ich verehrte Sie nur und heilig war für mich der Boden den ihre Füßchen betraten. Wie konnte ich nur solch' ein Geschöpf ansprechen?
    
    Das ist das typische "Schönheitssyndrom". 99.99% der Jungs da draußen verlieren diese Ehrfurcht nie. Kommt ein Hammerzahn in die Kneipe, flüchten alle schnell an die Pissrinne. Die Psychose eines typischen Maulhelden: Was mach' ich, wenn sie wirklich das Höschen runterzieht?
    
    Von dieser Psychose habe ich mich schnell befreien können. Mit 13 Jahren. Ging ganz automatisch.
    
    Mein Erlebnis mit Pater Fuhrmann war absolut zukunftsweisend, denn ab sofort verliebte ich mich wo ich ging und stand. Ein Supergefühl wenn das kleine Herzchen im Hühnerbrüstchen hüpfte. Ich wurde förmlich süchtig nach dem Gefühl und bin es, Gott sei's getrommelt und gepfiffen, heute noch.
    
    Ich kann mich sehr gut erinnern, daß ich eine weitere Angebetete hatte. Bei ihrem bloßen Erscheinen drohte ich jedesmal in eine nachhaltige Ohnmacht zu fallen. Wenn sie, rein zufällig, nur grob in meine Richtung blickte, trat sofort das gesamte Blut meines noch so jungen Körpers in meinem Kopf zum Appell an. Geil. Ich wette, daß sie gar nicht wußte, daß ich existiere. Meine heimliche Anbetung dieses göttlichen Geschöpfes ging so weit, daß ich mich eines Karnevals, man "ging" pflichtgemäß als Cowboy oder Indianer, übermutig und fast schon dreist dazu entschloß, ganz einfach über ihre Straße zu stolzieren. Abgesehen von der Kühnheit dieser Tat an sich, ...
    ... mußte ich mich auf dem Weg dorthin auch durch "Feindesland" bewegen. Feindesland war alles, was nicht meine Straße, die Pissmannstraße, war. Es gab wirkliche Straßenkämpfe mit blutigen Nasen und gebrochenen Fingern, vor Allem zur Karnevalszeit. Denn da waren alle bewaffnet! Mein Kostüm war eine der verwegenen Mischungen zwischen Wyatt Earp und Zorro. Von meinem Taschengeld erwarb ich eine schwarze Augenmaske an deren Unterkante ein ebenso schwarzer Viskoselappen angenäht war. Somit war das ganze Gesicht verborgen. Ich hatte an meinem, lässig auf viertel vor Fünf hängenden Patronengürtel, 2(!) Halfters für meine Plättchen-Revolver, denen man beim feuern nur ein armseliges "Pätsch" oder "Plitsch" entlocken konnte. Oft machte es nur "klick", wenn der Hammer erfolglos seine Arbeit verrichtete, weil die auf einer roten Papierrolle angebrachten Pulverwarzen, nicht gerade zuverlässig zündeten. Ich trug meine "Lewwis" (heute phonetisch: Lieweiss), so sprach man das Fabrikat dieser Nietenhosen (heute: Jeans) damals aus, ein rot/weißes Karohemd (mein Lieblingshemd. Hatte ich auch in blau/weiß!), normale Straßenschuhe und einen Cowboyhut aus allerbilligstem Filz. Diese Hüte hatten die, für den strapazierten Geldbeutel eines normalen 8jährigen, schreckliche Angewohnheit, sich schon bei einem schlechten Wetterbericht in seine Bestandteile zu desintegrieren. Ach, vergessen hätte ich beinahe den angeklebten Schnurrbart, der besonders prall unter der schwarzen Lappenmaske zur Geltung gekommen ...
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