1. Vom Leid des Erwachsenwerdens


    Datum: 24.12.2017, Kategorien: Romane und Kurzromane,

    ... liegend weinen. Es muß grauenhaft für sie gewesen sein, während ich mich so wohl wie ein Schwein in Scheiße fühlte und völlig losgelöst einen auf Wegschweber mimte. Als ich so weit entfernt war, daß die ganze Szene auf die Größe einer handelsüblichen Zigarettenschachtel zusammengeschrumpft war, muß Jemandem, in der Heimholungsabteilung des Himmels, der Fehler aufgefallen sein. "ALARM! Kommando zurück! Alle Schutzengel im Bereich Pissmannstraße, Düsseldorf, aufwachen! Reanimation einleiten!" So oder so ähnlich muß es getönt haben. Die Seele flog wieder in mich hinein, ich konnte wieder aus meinen körpereigenen Augen sehen und verspürte sofort einen wahnsinnigen Druck in meinem Brustkasten. Alsob ich explodieren würde. Ich hatte keine direkte Erinnerung mehr an das was geschehen war, sah nur das Waschbecken in der Ecke der Wohnküche, mir schräg gegenüber, auf das ich nun lossprintete, denn ich dachte ich müsse mich übergeben. Solche Dinge erledigt eben ein gut erzogener Junge über einem Waschbecken. Kaum dort angelangt, flog mir der grüne Peiniger mit unbeschreiblicher Urgewalt aus dem Hals.
    
    Meine Großmutter, ihre Schwester und Wahnsinnspanik eilten zu mir. "Ist jetzt wirklich alles vorbei?", fragte ich bestimmt hundertmal. Mit Engelsruhe antwortete meine Großmutter an deren Busen ich nun völlig erschöpft Ruhe zu finden suchte, ebensooft "Ja, Alexander, es ist alles wieder gut." Viele Monate danach konnte ich keine feste Nahrung zu mir nehmen aus Angst vor dem Ersticken. ...
    ... Sogar Spinat, zu einer grünen Pampe verkocht, den man hätte notfalls auch durch die Nase schnupfen oder intravenös einführen können, war mir zu dick. Ein Drama. Noch Jahrzehnte später überkamen mich beim Essen gelegentliche Panikanfälle, anders kann man das wohl nicht nennen, die ich gekonnt kaschierte um meine Umwelt nicht zu beunruhigen. Was 'ne Scheiße. Geschäftsessen gerieten somit zu einer wahren Tortur. Speziell in Fischrestaurants. Mein Großvater brachte mir alle möglichen und unmöglichen Süßigkeiten von der Arbeit mit, um meinen Appetit auf feste Nahrung anzuregen. Vergebens. Schlußendlich kam er mit einer Tüte Salzgebäck in Form von kleinen Fischen. Das tat es dann. Zuerst durchnäßte ich das Objekt in meinem Mund mit Speichel, bis es in totale Flüssigkeit verwandelt war. Dann erst wurde geschluckt! Über die vorbeschriebene Spinatpampe hangelte ich mich wieder bis zu Dingen hinauf, die man wirklich kauen mußte.
    
     Wie mein Leben durch diesen Vorfall beeinflußt wurde?
    
    Ich weiß heute, daß es Gott wirklich gibt. Ich belästige ihn aber nicht so häufig. Der hat bestimmt wichtigere Dinge zu tun als sich andauernd mein Geseire anzuhören. Selbstmachen ist meine Devise. Ich habe keine Angst vor dem Tod, wäre aber fürchterlich enttäuscht wenn ich zu früh gehen müßte, da ich noch eine Menge wirklich wichtiger Dinge zu tun habe. Mein Vater, ein Bilderbuchatheist sagte dereinst: "Ihr werdet alle überrascht sein. Wenn wir sterben geht einfach das Licht aus und nichts ist." ER wird ...
«12...131415...173»