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Das Leben mit nur einem Bein
Datum: 20.12.2017, Kategorien: Sonstige,
... Doktor Unmut sprach mich darauf an. Sie sagte: Gut war das. Nicht nur, dass jemand diesen Leuten die Wahrheit gesagt hat. Auch für Sie selber ist so etwas sehr gut. Es stärkt das Selbstbewusstsein. Da haben Sie sicher recht, sage ich zu ihr. Nur woher, soll ich, als Krüppel, Selbstbewusstsein bekommen? In dem Sie nicht alles schlucken, was ihnen nicht passt. Eine oder zwei Nächte darüber schlafen, kann ganz hilfreich sein. Nur, gar nichts zu unternehmen, reißt jeden Menschen nur noch weiter herunter. Bei Ihnen, redet sie weiter, kommt noch dazu, dass sie erst vor kurzer Zeit ein Bein verloren haben. Sind sie deshalb ein anderer Mensch geworden? Oftmals deprimiert und am Boden zerstört, ist doch eine logische Folgeerscheinung. Nur, der gleiche Mensch sind Sie immer noch. Ändern würden Sie sich nur dann, wenn sie sich vor lauter Verzweiflung vollkommen zurückziehen. Dann kommt der Hass auf die anderen. Die anderen, vielleicht gesünderen, sind dann in Ihren Augen besser dran als Sie. Nur auch denen kann man nur vor den Kopf stoßen und nicht hineinschauen. Da hat dir die Frau Doktor ja wieder viel zum Denken mitgegeben, dachte ich, als die Stunde um war. Zu dem Zeitpunkt war ich mir noch ganz sicher, dass ich niemals so denken könnte. An diesem Tag reiste Helga, meine Tischnachbarin ab. Auf meine Frage, ob die Zeit ihr etwas gebracht hat, antwortete sie: Ich denke schon, so einiges nehme ich auf jeden Fall mit. Allerdings werde ich auch zu Hause noch viel tun müssen, ...
... um vernünftig weiter leben zu können. Auch das gab mir wieder zu denken. Sollte es bei mir auch erst so weit kommen, dass ich keinen Lebensmut mehr habe, oder kann ich dagegen ankämpfen und beweisen, dass ich auch mit nur einem Bein, kein unnützer Mensch bin. Nach dem Abendessen lieh ich mir zum ersten Mal einen Rollstuhl aus. Ich wollte einmal etwas anderes sehen, als nur die Klinik. Wie man damit umgeht, wurde mir ja schon gezeigt. Ich bin also losgefahren. Eigentlich wollte ich bis in die Stadt fahren, doch das wurde mir doch zu schwer. Deshalb legte ich auf halbem Weg eine Pause ein und ging in ein Lokal, in dem wohl 4x in der Woche getanzt wurde. An diesem Abend war ich fast alleine darin. Nur die Bedienung und noch eine junge Frau waren anwesend. Ich fuhr mit meinem Rollstuhl so an einen Tisch, dass dieser nicht auf Anhieb zu erkennen war. Nun bestellte ich mir ausnahmsweise mal ein Bier. Kaum hatte ich es vor mir stehen, kam die junge Frau auf mich zu und fragte, ob sie sich zu mir setzen dürfe. Klar, warum nicht, antwortete ich. Ein wenig Unterhaltung kann uns beiden sicher nicht schaden. Ganz bestimmt nicht, lachte sie da. Übringens ich bin die Rita, wie heißt denn du? Ich bin der Hainer, antwortete ich. Na, dann prost Hainer, trinken wir auf dein Wohl. Nun redeten wir über Gott und die Welt. Als mein Bier alle war, bestellte ich mir eine Cola und für Rita einen Cocktail. Wie wir auf das Thema Sex gekommen sind, weiß ich nicht. Rita war in dieser Hinsicht ...