1. Der Paragrafenhengst - Von trabenden Fragen


    Datum: 09.12.2017, Kategorien: Macht / Ohnmacht

    ... herum. Das sieht schön aus!
    
    „Herr Haussmann, Sie kennen mich nicht. Ich bin nett, weil ich gerne nett zu Ihnen bin, ich...“, toll, jetzt kommt also MEIN Gefühlsausbruch, „Ich mag Sie. Sehr. Ich bewundere Ihre Intelligenz. Wie Sie reden. Was Sie tun. Und schön sind Sie auch. Aber das ginge mir mit jedem anderen auch so! Sie sind einfach zufällig da!“, vorsichtig laufe ich ein paar Schritte auf ihn zu.
    
    „Danke“, lächelt er, „Aber ich bin nicht zufällig da. Es gibt genügend kluge Kollegen, die sicher viel eher dem entsprechen, was Frauen in Ihrem Alter attraktiv finden“
    
    Geschlagen. Mit meinen eigenen Waffen. So ein Mist. Ich stehe nicht auf ihn, weil ich auf IRGENDJEMANDEN stehen muss, sondern ich mag ihn wirklich. Er hat recht. Resigniert lasse ich mich auf die nächstbeste Sitzgelegenheit fallen – seinen Stuhl. Und auf einmal umweht mich sein Duft. Er wartet auf eine Antwort, aber ich genieße seine Anwesenheit. Die Mischung aus seinem aktuellen Deo, Schweiß und dem Körpergeruch ist betörend! Dazu kommen noch die Gerüche der vergangen Monate – verschiedene Parfums, manchmal auch Essen, alles hinterlässt seine Spuren und ergibt eine Wolke aus Duft, in die ich mich reinkuscheln will. Der Perspektivenwechsel tut sein Übriges – ja, es ist toll, auf einem Thron zu sitzen!
    
    „Frau Stele?“, seine Stimme reißt mich aus meinen Gedanken.
    
    „Was wollen Sie hören, Herr Haussmann? Dass ich in Sie verliebt bin, dass mein einziger Grund, auf Arbeit zu kommen, Ihre Stimme ist?“, ...
    ... ich weiß, dass ich so gefühlt habe, aber das war, bevor mein schöner Deckmantel zerschmettert wurde!
    
    „Hören Sie auf zu kämpfen.“, sagt er ruhig und kniet sich vor mich.
    
    „Kämpfen?“, frage ich irritiert.
    
    „Sie müssen immer kämpfen. Sie kämpfen um die Anerkennung der anderen. Ihre Selbstbehauptung. Sie kämpfen gegen ein Komma und für ihre Selbstbestimmung! Sie sollten loslassen!“, noch ruht sein Arm auf der Stuhllehne, doch bald ist er bei meiner Hand.
    
    Kämpfen ist ein gutes Stichwort. Jetzt, wo alles offen liegt, kann ich zumindest aus der Defensive herauskommen und zurückschlagen. Fühlt sich gut an!
    
    „Dann können Sie auch aufhören zu kämpfen, Herr Haussmann! Sie wollen genauso geachtet werden wie ich. Aber Sie achtet man als Jurist ohnehin mehr, im Falle des Falles rettet Sie immer Ihr Fachwissen!“, meine Stimme wird brüchig; Neid und Angst bahnen sich ihren Weg, „Und Sie wollen, dass ich meine Zuneigung zulasse – was ist mit Ihnen? Warum haben Sie monatelang nichts gesagt? Warum haben Sie auch jetzt nicht den Mut, offen mit mir zu reden? Wollen Sie, dass ich Sie attraktiv finde, weil Sie mich attraktiv finden? Und wenn ja: Finden Sie mich schön, weil ich jung bin oder weil ich ich bin?“, ich wollte nicht, dass es so aus mir heraussprudelt, aber was geschehen ist, kann man nicht ändern.
    
    Sein Arm schnellt an mir vorbei und er greift die Teetasse, die neben mir steht. Vorsichtig nimmt er einen Schluck, in der Hoffnung, damit auch die Fragen herunterzuspülen. Dann ...
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