1. Der Paragrafenhengst - Von trabenden Fragen


    Datum: 09.12.2017, Kategorien: Macht / Ohnmacht

    ... ist. Es hat keine Auswirkungen auf die Arbeit“, antworte sich sachlich, auch wenn er mich schon wieder aufregt, „Außerdem hätten Sie nur genau hinhören müssen, es ist ein offenes Geheimnis, dass ich gehe“
    
    „Aber... dann hätte ich mich darauf vorbereiten können!“, erklärt er zögerlich. Ist es das, was ich vermute – ein Funken Hoffnung?
    
    „Worauf vorbereiten?“, frage ich gereizt, „Die Party für den Störenfried, der Ihnen nicht mehr reinredet?“
    
    „Frau Stele, ich diskutiere sehr gern mit Ihnen“, erklärt er sachlich, zu sachlich!, „Sie machen sich Gedanken, hinterfragen vieles, sie machen mich auf Dinge aufmerksam, für die ich blind geworden bin! Das mag ich sehr an Ihnen!“
    
    Sein Ego-Gestreichel zeigt Wirkung. Ich habe immer dafür gekämpft, nichts einfach so hinzunehmen, sondern es immer mit allen Sinnen und Gedanken zu erfassen. Ich wollte nichts tun, weil es getan werden muss und dann feststellen, dass man es hätte besser machen können. Ich mache Dinge, weil ich von ihnen überzeugt bin und vollends dahinter stehe. Dafür wollte ich geachtet werden. Und er hat das erkannt.
    
    „Danke, Herr Haussmann, das freut mich.“, langsam schleicht sich ein Lächeln in mein Gesicht, „Aber ich meine es ernst: Wir müssen alle unsere Arbeit tun, egal, wie lange uns noch bleibt.“
    
    McJury beugt sich nach vorn und legt die Hände auf den Tisch: „Das ist sehr löblich! Aber es ist schön, mit Ihnen zu arbeiten. Auch wenn Ihr Nachfolger genauso kompetent ist. Aber ich hätte gerne mehr Zeit ...“, ...
    ... er zögert und mein Herz macht einen Sprung. Unsicher geht er zum Fenster und blickt auf die grauen Balkons. Fähnchen wehen im Wind.
    
    „Wofür mehr Zeit?“, harke ich nach. Keinen Millimeter bewege ich mich, das Eis ist noch zu dünn.
    
    „Wie lange kennen wir uns schon?“, fragt er mich ohne sich umzudrehen.
    
    „Eineinhalb Jahre“, erwidere ich, „Und seit einem Jahr arbeiten wir unregelmäßig zusammen“
    
    „Das ist richtig.“, obwohl es eine wahre Aussage ist, wirkt er unsicher. Langsam geht er vor dem Fenster auf und ab.
    
    „Das geht nicht!“, sagt er schließlich.
    
    Ich bin verwirrt: „Was geht nicht?“
    
    „Das mit uns!“, antwortet er nervös. Ich weiß nicht, ob ich mich freuen oder wegen der Situation lachen soll. Rosamunde Pilcher lässt grüßen!
    
    „Natürlich geht das!“, erkläre ich, um das Ganze abzukürzen, „Sie sind der kluge Rechtsreferent und ich das kleine Mädchen, das ihn anhimmelt! Sie stehen oben, ich unten. Sie sind verheiratet und ich schlafe mich nicht nach oben. Wir arbeiten zusammen und das war es. Was soll daran nicht funktionieren?“
    
    Es erstaunt mich, wie klar ich jetzt denken kann. Natürlich habe ich das schon tausend Mal im Kopf durchgespielt, das Für und Wider aufgeschrieben und mir ausgemalt, wie es wäre. Aber mein Traum zerplatzte immer in dem Moment, als sich unsere Lippen näher kamen.
    
    „Frau Stele, Sie sind nicht irgendein Mädchen. Sie arbeiten gut, Ihre Fähigkeiten liegen weit über dem, was sie gerade tun! Und menschlich...“, er sieht mich an und gestikuliert ...
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