1. To Bi or not to Bi


    Datum: 06.12.2017, Kategorien: Schwule

    ... Antwort kommt am folgenden Tag.
    
    Einfühlsam und voller Respekt vor meinen Zweifeln und Ängsten beschreibt er, wie er sich selbst darin erkenne, wie es ihm vor Jahren ähnlich ergangen sei, und dass er volles Verständnis dafür habe. Aber anscheinend habe ich seinen Ehrgeiz geweckt. Denn nun kommt er mit einem Vorschlag um die Ecke, der dem vielbeschworenen Angebot, das man nicht ablehnen kann, sehr nahe kommt.
    
    Er würde eine Möglichkeit sehen, voll auf meine Bedenken einzugehen und gleichzeitig eine seiner lang ersehnten Phantasien auszuleben. Der Typ ist ein Fuchs von beeindruckender Kreativität. Und so lautet sein Plan:
    
    "Wenn Du zu mir kommst, ist meine Eingangstür nur angelehnt. Du betrittst meine Wohnung und findest mein Schlafzimmer hinter der zweiten Tür rechts. Dort werde ich bei gedämpftem Licht auf dem Bett liegen und auf Dich warten. Außer einer Augenbinde werde ich nichts tragen. Du kannst mich in aller Ruhe betrachten und entscheiden, ob Dir gefällt, was Du siehst. Wenn Du nicht möchtest, brauchen wir kein Wort zu sprechen. Wenn Du gleich wieder gehen willst, geh. Wenn Du bleiben möchtest, ziehst Du Dich aus und ich werde Dir die geilsten Momente Deines Lebens bescheren. Bediene Dich und ich werde Dich bedienen. Ich blase leidenschaftlich gerne und würde mich freuen, wenn Du mich im Gegenzug intensiv nimmst. Aber hey: Alles kann, nichts muss! Und wenn Du gehst, werde ich Dich nicht gesehen haben und nur den Duft Deiner Lust und die Erinnerung als Souvenir ...
    ... behalten."
    
    Teufel nochmal, der Kerl hat es drauf, mich zu ködern. Seine Adresse samt Terminvorschlag hat er gleich beigefügt. Minutenlang starre ich auf den Bildschirm und lese den Text immer wieder. Er hat mich schachmatt gesetzt, einfach so. Fast könnte ich sauer auf ihn werden. Eine Stunde vergeht. In dieser Zeit setzt mein Gehirn immer neue Phantasien zusammen, wie es ablaufen könnte, schreibt immer wieder neue Drehbücher bis jeder Widerstand zwecklos ist.
    
    Ich antworte mit drei kurzen Worten: Ich bin dabei!
    
    In 2 Tagen und 21 Stunden werde ich mich meinen Dämonen stellen.
    
    Die Zeit bis zum Wochenende nimmt die Konsistenz von Kaugummi an und wird begleitet von erregter Ungeduld und Verunsicherung. Manchmal denke ich daran, das Treffen abzusagen. Bevorzugt, nachdem ich mir vom eigenen Kopfkino übermannt mal wieder den Saft aus den Eiern massiert habe und in der sexuellen Schaltzentrale befriedigte Ernüchterung eingekehrt ist. Aber diese Blöße werde ich mir nicht geben. Dafür bin ich zu sehr Kerl, als dass ich vor einer Herausforderung zurück schrecke, bei der es kein Risiko gibt. Ein Mann, ein Wort.
    
    Auf die Minute pünktlich stehe ich zur vereinbarten Zeit vor der Haustür eines nicht sonderlich einladend wirkenden Wohnblocks. Mein Finger ruht einen Zentimeter über dem Klingelknopf. Ich zittere, als stünde ich vor einer Bombe und es ginge darum, zu entscheiden, ob mich der grüne oder der rote Draht wohl ins Jenseits befördern wird. Ich spüre, wie mir Schweißtropfen ...
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