1. Die verlorene Tochter Teil 02


    Datum: 27.03.2020, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie

    ... Antwort. Sie trat einen Schritt nach vorne. Sie konnte kaum erkennen, wie es im Innern der Mühle aussah. Sie wagte sich weiter nach vorne, hielt ihren Bogen aber immer einsatzbereit. Durch ein kleines Fenster fiel etwas Licht hinein. An einer Wand lagen leere Säcke, in denen früher das Mehl aufbewahrt wurde. Daneben standen Werkzeuge, deren Funktion Rania nicht abschätzen konnte. Die Mitte des Raumes wurde von einem riesigen Mühlstein eingenommen. Von Eran war keine Spur zu sehen.
    
    Hielt er sich außerhalb der Mühle auf? Sie entdeckte eine Treppe, die ins obere Stockwerk führte. Rania steuerte die erste Treppenstufe an. Sie hörte ihr Blut in den Ohren rauschen. Sie war angespannt und fragte sich, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war dem Treffen mit dem Prinzen zuzustimmen. Es war nicht ausgeschlossen, dass sie in eine Falle lief und die Königin die Anführerin der Geächteten gefangen nehmen wollte. Tochter hin oder her. Sie nahm eine Treppenstufe nach den anderen. Das Holz knarzte unter ihren Füßen. Im oberen Stockwerk war es kaum heller. Von mehreren Stellen drangen Lichtstrahlen herein. Rania hielt ihren Bogen weiterhin gespannt. Bereit, ihn auf die Wachen der Königin abzufeuern.
    
    Als sie die obere Plattform erreicht hatte, sah sie sich um. Sie machte ein paar Schritte in den Raum hinein. Dann vernahm sie eine leise Stimme hinter sich, die ihr ins Ohr flüsterte. „Hallo, meine große Schwester ... Was soll der Bogen?"
    
    Rania erschrak und drehte sich um die eigene ...
    ... Achse. Ihr Pfeil war auf die Gestalt gerichtet, die ihr einen schelmischen Blick zuwarf. Sie ließ ihre Waffe sinken und steckte den Pfeil in den Köcher zurück. Diesen und den Bogen legte sie auf den Boden und sah den Prinzen neugierig an. Eran sah übermüdet aus. Auch er hatte kaum Schlaf in der vergangenen Nacht bekommen.
    
    „Bist du verrückt ...? Ich hätte dir beinahe einen Pfeil durch dein Herz gejagt!"
    
    Eran warf ihr einen neckischen Blick zu. „Du würdest doch nicht deinen kleinen Bruder erschießen, oder Schwesterherz?"
    
    „Nenn mich nicht so."
    
    „Finde dich damit ab, dass du die Tochter der Königin bist. Und damit eine Prinzessin."
    
    Rania wollte sich noch immer nicht an diesen Gedanken gewöhnen. Sie betrachtete Eran einen Moment lang. Die Sonnenstrahlen fielen durch ein Fenster auf sein Gesicht. Er war unrasiert. Sein Haar war unordentlich. Er sah dennoch gut aus. Sehr gut sogar. Attraktiv. Der Anblick des Mannes vor ihr weckte Gefühle in ihr. Gefühle, die sie nicht haben durfte.
    
    Rania versuchte, ihre Empfindungen zu sortieren. Was empfand sie für den Mann, der vorgab, ihr Bruder zu sein? Sie hatte sich zu ihm hingezogen gefühlt, bevor das große Geheimnis ihrer Herkunft gelüftet wurde. Sie hatte ihn begehrt, hatte nach ihm verlangt. Wollte ihn spüren. Was änderte ihre Familienbande daran? Sie legte ihm die rechte Hand auf den Unterarm. Er rührte sich nicht und suchte Blickkontakt zu ihr. Erans Blick verriet nicht, was er dachte. Rania wusste nicht, was sie denken ...
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