1. Nachmittag am Zwetschgenbaum


    Datum: 08.10.2018, Kategorien: An– und Ausgezogen,

    ... Justament lag er in Morpheus Armen.
    
    Flugs schwand das greifbare Fallobst zwischen schmatzenden Lippen, die Wiese leerte sich, der Heißhunger blieb.
    
    Oben, an der Krone des Zwetschgenbaumes prangte voller Früchte ein Ast mit wehenden gelben Bande. Reichlich für jede, doch zum Abgreifen zu hoch. Der Vater hatte das Erklettern untersagt, es sei zu unschicklich für junge Damen. Nun trieb das ungestillte Gelüst. Die Jüngste, mit ihren 16 Lenzen lange dem Alter entwachsen, Bäume zu erklimmen, vergrub ihre Finger in der rauen Rinde.
    
    „Halt ein, Du beschmutzt Dein weißes Kleid. Der Vater wird schimpfen.“ Mahnend erhob die Älteste den Finger. Die Jüngste ließ ab, band sich die, um die Hüften geschlungenen Strümpfe ab. Die Stiefel fielen zu Boden. Ruckend löste sie die oberen Knöpfe, zog das Kleid über den Kopf, nun in Rüschenhöschen und Unterhemde den erheischten Zwetschgen entgegenzusteigen. Der abstehende Saum verfing sich im Gezweig, jedoch hielt der Wildfang nicht inne, kraxelte mit unbedecktem Hinterteile weiter zum Haupte des Baumes. Durchaus zu Moral und Schamhaftigkeit erzogen, musste diese dreiste Unartigkeit in der Unerfahrenheit beim Genusse alkoholischer Getränke ihre Erklärung finden. Auch den ebenso beheiterten Vorgeborenen mangelte es der nötigen strengen schwesterlichen Aufsicht der Jüngsten. Statt der zu erwartenden Zurechtweisung, verfielen sie in ein zotiges Gelächter, näher dem Betragen derber Lümmel, als solchem höherer Töchter.
    
    Sie befreiten das ...
    ... Höschen vom Aste, stülpten es um, verknoteten dessen Beine und hielten das Bund weit, die Zwetschgen aufzufangen. Schnell quoll der Stoff angefüllt mit Früchten. Nun rutschte beim Abstieg ein Zweig unter das Hemdchen der Jüngsten. Diese griff nach oben, zog ihren Leib, dem Zweige entkommend, hoch, setzte sich auf einen dicken Ast und streifte nun ihr letztes Kleidungsstück ab. In vollster Blöße gesellte sie sich zu den Schwestern, machte jedoch keine Anstalten diese wieder zu bekleiden. Allzu vorzüglich streichelten die Strahlen der Sonne ihre Haut.
    
    Zwetschgen naschend, saßen die Töchter beisammen. Drückend das Wetter, staute sich die Hitze unter den vielen, von der gesellschaftlichen Konvention vorgeschriebenen Stofflagen, klebten die Kleider am Leibe. Neidisch blickten die Schwestern auf die Unbeschwertheit der Jüngsten, indes hinderte sie die anerzogene Schamhaftigkeit, es ihr gleich zu tun. Amalia griff unter den Rock ihres Kleides, holte ein weiteres diskretes Geschenk des Kommerzienrates hervor, das sie stets sorgsam vor der erzieherischen Strenge des Vaters verborgen hatte. „Der nackte Mensch – ein Freudenschrei der Zukunft“, so der Titel jenes Buches, das zu lesen, sie bis jetzt nicht wagte. Nun vom Alkohole enthemmt, übermannte sie die Neugierde, las laut daraus den Schwestern zum Vortrage. Die kichernden Sätze kündenten von der Unverdorbenheit des Naturkleides, der gesunden Bekömmlichkeit des unverhüllten Aufenthalts in Sonne und frischer Luft, von der neuen Zeit, in ...