1. Nachmittag am Zwetschgenbaum


    Datum: 08.10.2018, Kategorien: An– und Ausgezogen,

    ... dem Bauern gehörenden Zweige an seiner Statt an. Würde er nur eine Zwetschge an einem seiner Äste missen, so wäre es Diebstahl und er würde den Gendarmen holen. Noch des Freitags Mittag war der Knecht zur Balthauschschen Apotheke gesandt worden, die Mahnung zu verkünden.
    
    „Meine Töchter, wir sind anständig Leut', dass ihr mir ja nur an die Zweige mit den gelben Bändern geht!“ Geschwind pflückten die Töchter die Zwetschgen in die Körbe. Darauf bedacht, seinen Töchtern Genügsamkeit und umsichtige Haushaltung zu lehren, gestand ihnen Herr Balthaus nur drei Früchte für die alsbaldige Vernaschung zu.
    
    Nach vollbrachtem Werk lehnte sich der Apotheker sitzend an einen schattigen Baum, öffnete die obersten Knöpfe seiner Weste, ein Kompromiss zwischen gesellschaftlicher Konvention und persönlichem Komfort, den er der Hitze des Spätsommers zugestehen musste. Der arg strapaziöse Anmarsch entforderte dem alte Manne nun den Tribut. Mit einem befeuchteten Taschentuch auf der Stirn versank er in tiefen Schlummer.
    
    In Gewissheit, der väterlichen Obhut für Stunden gelöst zu sein, grinsten sich die Schwestern schelmisch an, die Gunst des Augenblicks wollte genutzt werden.
    
    Den Mädchen verlangte es ob der Hitze nach Abkühlung, deren Erlangung ihnen der öffentliche Anstand untersagte. Lockend plätscherte der kleine Bach am Rande der Obstwiese, den sich die Töchter nun zögerlichen Schrittes näherten.
    
    „Ach Schwestern, niemand wird uns ansichtig, so können wir es wagen.“ Sie schnürten ...
    ... die Stiefel auf, rollten die feinwollenden schwarzen Strümpfe herunter, mit hochgehaltenen Kleidern wateten sie knöcheltief durch das belebende Nass, die Beine unziemlich bis übers Knie entblößt. Nur gut, dass der Vater schlief.
    
    Die Erfrischung hob den Appetit, entfachte das Begehren nach weiteren Zwetschgen. Von ihrem kühlenden Platze aus, richtete sich der Blick auf die abgedeckten Körbe neben dem ruhenden Vater. Schon entstiegen die Mädchen, dem inneren Drange folgend, dem Bach, spürten das herrliche Gefühl des Grundes unter ihren nackten Füßen. Der schwitzigen Enge ihrer steifen Stiefel überdrüssig, banden sie sich ihr Schuhwerk mit ihren Strümpfen an die Seite. So streiften die Töchter barfuß durch das hohe Gras dem schlafenden Vater entgegen.
    
    „Ach Schwestern, ein oder zwei aus jedem Korbe. Der Vater sieht es nicht.“ Mit dem Kopfe schüttelnd winkten die anderen ab. Lebenslang erfahren im Abwiegen allerlei Ingredienzien unterschiedlichster Beschaffenheit, würde es der Apotheker bemerken.
    
    „Aber Schwestern, die bereits gefallenden Früchte unter den Bäumen, wer sollte es uns verübeln?“
    
    Kichernd stoben sie auseinander, die Zwetschgen vom Boden zu sammeln. Süßlicher, verlockender als die frisch Entnommenen schmeckten die gefallenen Früchte. Der aus Gärung entsprossene Alkohol entfaltete seine Wirkkraft, den Mädchen dürstete es nach mehr. Herr Balthaus wusste wohl um diese Abläufe der Natur. Seinen Töchtern hatte er es verschwiegen, keine Dummheiten zu befördern. ...