Liebe Tod und Neuanfang 05
Datum: 15.04.2018,
Kategorien:
Romane und Kurzromane,
... Selbst als an einem Tag der Himmel meinte, alle Schleusen öffnen zu müssen kam sie pünktlich wie immer zum Grab. Wie ich hatte sie einen etwas größeren Schirm dabei, der allerdings bei ihr noch größer wirkte. Er hatte fast die Ausmaße eines Sonnenschirms.
Während sie als mit der einen Hand den Schirm über sich hielt, ging sie in die Hocke und richtete alles wieder so hin wie immer. Als sie dann ging, sah ich auf einmal, wie ihr Kopf sich in meine Richtung drehte. Das hatte sie zuvor noch nie getan. Vielleicht lag es daran, dass es schon etwas seltsam war, dass jemand bei dem Regen auf einer Bank saß. Ich hatte dabei aber auch wirklich nicht bedacht, dass ein knallbunter Regenschirm, so einer wie meiner, jetzt besonders auffiel.
Doch sie sah nur ganz kurz zu mir herüber, wandte sich dann aber wieder ab und ging.
Leider verwehrte es mir die Entfernung ihr Gesicht in den Einzelheiten zu sehen, die mir erlaubt hätte zu entscheiden, wie sie aussah. Aber ich meinte, eine südländische Tendenz zu erkennen. Zumindest würde es zu ihrem fast vollkommen schwarzen Haaren passen, welches sie entweder als Zopf trug oder hochsteckte.
Ich wurde richtig neugierig denn ich wollte endlich wissen, wie sie wirklich aussah.
Also ging ich am Montag um halb elf zum Grab von Silvia und begann es ausgiebig zu pflegen. Eine solche Pflege dauerte seine Zeit, sicher länger als bis um fünf nach zwölf Uhr.
Ich machte also weiter und wie immer kam sie zur gleichen Zeit den Weg entlang. Sie ...
... sah mich zwar, aber das schien sie nicht davon abzuhalten das zu tun, was sie immer tat.
Als sie angekommen war, sagte ich so freundlich wie möglich: „Guten Tag!", und sah sie dabei an. Sie drehte nur kurz ihren Kopf eine Richtung und nickte einmal merklich, dann begann sie mit ihrem tun. Gras schneiden und Rose auswechseln, wie immer.
Auch wenn ich ihr nur sehr kurz ins Gesicht sehen konnte, reichte es mir vollkommen, das Gesamtbild von ihr zu vervollständigen.
Wie ich schon vermutet hatte, war sie der südländische Typ. Allerdings schien sie nicht daher zu kommen. Ihr Gesicht war fein geschnitten und wäre als italienisch durchgegangen. Dazu war sie augenscheinlich noch relativ jung. Zumindest im Gegensatz zu mir, also zwischen fünfundzwanzig und dreißig. In ihrem Gesicht dominierten ihre beiden großen, fast schwarz wirkenden Augen, die etwas Trauriges, Melancholisches innehatten. Dazu kam eine kleine, spitze Nase und einem relativ kleinen Mund, dessen schmale Lippen von einem recht kräftigen, roten Lippenstift hervorgehoben wurde. Er konkurrierte mit den Augen, konnte aber gegen sie nicht gewinnen.
Hatte ich schon von Weitem bemerkt, dass sie relativ klein war, wurde es mir jetzt erst recht bewusst. Viel mehr als einen Meter fünfzig war sie sicher nicht, oder vielleicht noch fünf Zentimeter mehr, aber das hätte ich erst abschätzen können, wenn sie ihre Schuhe ausgezogen hätte.
Als dann noch ein kleiner Windstoß von ihrer Seite auf meine wehte, kitzelte meine ...