1. Weeslower Chroniken Teil 1 - Nadine - 1997


    Datum: 24.03.2018, Kategorien: Kunst,

    ... meinte das ernst. Wann könntest Du denn?"
    
    "Jederzeit. Die Ferien beginnen in einer Woche am 6. Juli."
    
    "Sorry, dann ist es hier noch nicht bezugsfertig. Ich lebe hier auf einer totalen Baustelle. Aber ab 13. dürfte es vielleicht gehen. Willst Du?"
    
    "Super gern!"
    
    "Abgemacht. Ich trage es mir gleich ein. Du wirst hier mein erster Gast! - Ich muss jetzt leider Schluß machen. Bis morgen, ja? Liebe Grüße M. (P:S - kannst Du ein Foto von Dir schicken? Ich weiß ja gar nicht mehr wie Du aussiehst.)"
    
    Ein Foto? Aber gern, dachte sie. Wieder bei sich zu Hause suchte sie ihre Alben durch. Mal zu dunkel, mal zu unscharf, mal nichtssagend. Und oft einfach zu alt, denn wenn es schon viele Monate alt war, dann war es nicht mehr sie, wie sie heute war, sondern das Mädchen, dass er noch kannte, unscheinbar, unattraktiv, allzu mädchenhaft. Doch bei denen aus dem letzten Gran Canaria-Urlaub über Ostern würde sie fündig. Bezaubernd süß lächelte sie, an eine Palme gelehnt, in die Kamera, ungeschminkt, aber dafür schön gebräunt, das lange, fast schwarze Haar offen. Nur war sie darauf oben ohne, nur mit einem Bikini-Slip bekleidet. Sie zögerte. Dann schnitt sie es kurzerhand mit einer Schere zurecht, gerade oberhalb der Brustwarzen. So konnte man höchstens erahnen, dass sie oben herum nichts trug und schön durchgehend gebräunt war, aber auch nur das. Und das wäre eine schöne Botschaft an ihn. Sie steckte es in einen Briefumschlag, den sie mit seiner Adresse versah, frankierte, und ...
    ... hatte Herzklopfen, als sie den Brief in den Kasten nahe ihres Elternhauses warf.
    
    Seine Antwort erreichte sie nach dem internetfreien Wochenende am Dienstag.
    
    "Danke, Nadine, vielen Dank! - Du bist wirklich noch hübscher geworden in der Zwischenzeit. Ich freue mich, einen so hübschen ersten Gast in meiner bescheidenen Hütte empfangen zu dürfen.
    
    Wenn Du gut ohne Bikini-Oberteil auskommst - wie es auf dem Foto ja scheint-, dann bist Du hier genau richtig. Und ich hoffe, es stört Dich nicht allzusehr, wenn andere Leute gar nichts tragen. Hier geht es nämlich recht locker zu, was Badezeug angeht. An unserem See baden die meisten nackt. Das muss Dich aber nicht stören, Du selbst kannst herumlaufen wie Du magst, also auch bekleidet - aber den Anblick nackter Menschen solltest Du nicht scheuen. Sollte ich vielleicht vorher erwähnt haben. - Und ich selbst gehöre ja selbst zu diesen Freikörper-Freunden, wie Du ja vielleicht weißt."
    
    Obwohl sie doch ganz allein im Raum war, überkam sie eine leichte Röte im Gesicht. Oh je, worauf hatte sie sich eingelassen?
    
    Darauf wollte sie lieber nicht unüberlegt eingehen.
    
    "Kein Problem. - Ich habe nicht viel Zeit heute. Morgen mehr!"
    
    schrieb sie nur.
    
    Sie schlief schlecht in dieser Nacht. Viel zu sehr tobten in ihrem Kopf die Gedanken. Hals über Kopf war sie da in etwas hineingeschlittert, was sie längst hinter sich geglaubt hatte, in längst überwunden geglaubte Mädchenträume. Die plötzlich so klar und greifbar wieder vor ihr lagen. ...
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