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Wer sich in Gefahr begibt . . .
Datum: 19.01.2018, Kategorien: Betagt,
... kommen Sie doch erst einmal hinein." Die beiden bleiben im Flur stehen. Werfen sich stumme Blicke zu. "Möchten Sie vielleicht einen Tee? Und Sie junger Mann: Eine Cola?" "Das wäre wirklich sehr nett von Ihnen." Ich bitte sie am Küchentisch Platz zu nehmen, reiche Sven eine Flasche Cola und ein Glas dazu. Während der Tee zieht, setze ich mich mit an den Tisch. "Ich glaube, da liegt ein ziemlich großes Mißverständnis vor, liebe Frau Winter." Ihr Blick ist offen und ehrlich. Und ziemlich betrübt. "Ich suche für meinen Sohn ein kleines Zimmer." Ihre Stimme wird deutlich leiser. "So etwas", sie macht eine fahrige Handbewegung, "können wir nicht bezahlen." Ich reiche Zucker und Milch und stelle eine Schale mit Gebäck auf den Tisch. Sven schaut mich mit starrem Blick an. Als sich unsere Blicke für einen Sekundenbruchteil kreuzen, schießt ihm das Blut in den Kopf. "Ach, wissen Sie, Frau Meermann. Ich vermiete nicht wegen des Geldes. Ich will nur etwas von dem zurückgeben, was mir vor langer Zeit gegeben wurde. Sagen wir einfach, ich trage eine Schuld ab. Und wie könnte ich das besser, als einem jungen Mann die Chance zu geben, etwas aus sich zu machen. Und ich glaube schon, daß Ihr Sven diese Chance verdient hat. Oder was meinen Sie?" OK. Das war jetzt ziemlich dick aufgetragen, aber es funktionierte, wie ich an Frau Meermanns Augen sofort sehe. "Da haben Sie Recht, Frau Winter. Er ist so ein lieber Junge. Und so fleißig." Als sie ihrem Sven mit der ...
... flachen Hand über die Haare streicht, befürchte ich einen kurzen Moment sein Kopf würde platzen. "Wollen Sie beide sich mal anschauen, wie es da oben ausschaut?" Ich zeige Frau Meermann und ihrem Sohn das ausgebaute Dachgeschoß. Schlafzimmer, Wohnzimmer, Badezimmer mit Dusche, eine kleine Küchenzeile. Gut 60 Quadratmeter, die aber nicht richtig zählen, weil die Schrägen bis fast auf den Boden reichen. Lautlos ziehe ich mich zurück, grinse über die 'ahs' und 'ohs', die jeden ihrer Schritte begleiten. Nach einer knappen Viertelstunde kommt Frau Meermann alleine die Treppe hinunter. "Und? Gefällt es Ihrem Sohn?", empfange ich sie. "Am liebsten würde ich selbst einziehen", gesteht sie mit einem schüchternen Lächeln. Ich mache noch einmal den Wasserkocher an. Setze mich an ihre Seite. "Und Sie würden wirklich das alles an meinen Sohn vermieten?" "Wenn er will. Gerne. Zum lernen wäre es ideal. Die Gegend ist sehr ruhig. Und zur Universität ist es mit dem Bus nur zwanzig Minuten. Wenn ihr Sohn ein Fahrrad hat sogar noch kürzer. Vom Auto würde ich abraten. Zu viel Verkehr, zu wenig Parkplätze." Frau Meermann nickt. Und dann stellt sie die Frage, die ihr offensichtlich sehr unangenehm ist: "Und wie viel müßte ich für die Zimmer bezahlen?" "Das Dachgeschoß hat eine eigene Wasseruhr und einen separaten Stromzähler. Das würden Sie bezahlen. Nicht mehr, nicht weniger." "OH!" Frau Meermann muß diese Nachricht erst einmal verdauen. "Das ist ja fast so, wie ...