1. Schwesternliebe


    Datum: 11.09.2017, Kategorien: Romane und Kurzromane,

    ... einfach keine Zeit, sie stundenlang zu Fönen, zu bürsten und zu pflegen.
    
    Quälte mich morgens um 6.00 Uhr der Wecker aus dem Bett, hatte ich gerade noch genug Zeit für eine Dusche. Danach wurde das Haar, feucht wie es war, einfach mit einem Gummiband zu einem strengen Pferdeschwanz gebunden. Das musste reichen.
    
    Mode stand für mich nie zur Debatte. Zum einen fehlte mir das Geld, um für mich erstklassige und passende Kleidung zu kaufen, zum anderen hätte ich nicht gewusst, was an meinem eher plumpen Körper betont werden sollte. Mein Hintern und die Oberschenkel waren eindeutig zu dick. Die großen und für meinen Geschmack unförmigen Brüste störten mich eher, als das sie mich stolz machten. Ich war immer bemüht, sie zu verstecken, statt sie als Hingucker zu präsentieren.
    
    Schuhe mussten bequem sein, denn nach einer stressigen Schicht in der Tagesklinik unseres Krankenhauses brannten meine Fußsohlen oft wie Feuer, die Knöchel waren geschwollen und ich verspürte keine Lust, die abendlichen Einkäufe in High Heels zu erledigen.
    
    Kurzum: Ich war eine graue, unscheinbare Maus, welche stets ungeschminkt, mit weiten Hosen und Schlabbershirts unterwegs war. Turnschuhe und Flip-Flops im Sommer, dicke, rutschfeste Stiefel im Winter, dazu irgendeine Jacke aus der Wühlkiste, am besten günstig und pflegeleicht, genügten völlig.
    
    Bei Nadja lagen die Dinge anders. Für sie war ich bereit, alles zu tun, jeden Cent zu geben, nur um die Kleine glücklich zu machen.
    
    Von dem Tag an, als ...
    ... ich mein erstes Lehrlingsgeld verdiente, gab ich es aus für
    
    unzählige Kleinigkeiten, DVDs, Zeitschriften, Gürtel, Taschen, Nagellacke ...
    
    Ich wollte, dass sie glücklich war.
    
    Schwieriger und vor allem teurer wurde es, als auch meine Maus in das Alter kam, in dem erste männliche Wesen begannen, eine Rolle in ihrem Leben zu spielen. Ich weiß nicht woran es lag, aber plötzlich schien sie nie und nirgends Grenzen zu kennen.
    
    Herangewachsen zu einem wirklich hübschen Mädchen, verdrehte sie jedem der ihr zu nahe kam den Kopf, völlig egal, ob es Jungs in ihrem Alter waren, verheiratete Familienväter oder Männer, die gut und gern ihr Großvater hätten sein können. Sie schien sich immer neu beweisen und bestätigen zu müssen.
    
    Nadja benutzte für diese Spielchen all ihre Vorzüge in einer Gnadenlosigkeit, die mir stellenweise Angst machte.
    
    Egal, ob es ihre langen, dunklen Haare waren, ihre großen grünen Augen, die zum Schmollmund aufgeworfenen Lippen, ihre perfekt geformten, festen Brüste, ihre langen schlanken Beine, der kleine, knackige Po ...alles an ihrem Körper schien eine Verheißung zu sein und wurde gleichzeitig eine gefährliche Waffe.
    
    Bei der Wahl ihres Make Up traf sie zielsicher ins Schwarze. Dunkler Lidschatten betonte ihren Blick und ließ ihre Augen noch tiefer und verträumter wirken, heller Lipgloss schimmerte selbst dann auf ihrem Mund, wenn sie nur zum Briefkasten ging, um die Tagespost zu holen.
    
    Wegen ihres Kleidungsstils kam es jetzt zwischen uns immer ...
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