1. Schwesternliebe


    Datum: 11.09.2017, Kategorien: Romane und Kurzromane,

    ... bereit wären, sich um ein niedliches kleines Ding wie Nadja zu kümmern und für mich würde sich doch auch irgendwo ein akzeptabler Heimplatz finden. So lange, bis meine kleine Schwester ihr eines Tages das nasse Putztuch aus der Hand riss, es ihr in das aufgedunsene Gesicht schleuderte und aus vollem Hals brüllte: „Ich will aber bei meiner Katja bleiben! Du brauchst hier garnie mehr herkommen, du olle fette Kuh ...lass uns in Ruhe, wir schaffen das auch allein!" Die Maus muss damals 12 gewesen sein, genau kann ich mich nicht mehr erinnern.
    
    Selbst die eigene Mutter wurde zu unserem Feind. Ich habe vergessen, wie oft sie mich im Suff grün und blau schlug, vor allem für Verfehlungen meiner kleinen Schwester. Auch hier hielten wir zusammen wie Pech und Schwefel. Ich ertrug die Prügel, Naddel tröstete mich hinterher in unserem Zimmer.
    
    So wuchsen wir heran, meine Teenagerzeit kam und verging wie im Flug.
    
    Freundinnen, sofern sie überhaupt zu finden waren, konnte ich nie lange halten. Wenn der Alkohol und seine Nebenwirkungen oder die Unordnung und der nicht zu übersehende Schmutz in unserer Wohnung sie nicht verscheuchte, tat Naddel dies mit Akribie und Nachdruck. Sie schien sich hierbei nie irgendeiner Schuld bewusst zu sein, verstand meine Tränen, meinen Frust nicht, wenn ich wieder aus der Schule nach Hause kam und mir ein Mädel die Freundschaft aufgekündigt hatte.
    
    „Aber du hast doch mich!", war der Standartsatz, mit dem sie mir ihre Welt erklärte.
    
    Damals schon ...
    ... mit einem gewissen Übergewicht kämpfend hatte ich keine Lust und irgendwie auch keine Zeit für Romantik, zum Händchen halten, für die erste große Liebe, Flirts oder Verabredungen.
    
    Erste Bekanntschaften mit Jungs kamen und gingen, ohne großartigen Eindruck zu hinterlassen. Irgendwann passierte „Es", dieses angeblich magische Erste Mal. Ich nahm die Dinge schweigend hin, ohne je Gefallen oder Genuss dabei empfunden zu haben, weil sie ab einem gewissen Alter einfach dazu gehörten. Meist dauerte ein solcher Akt ohnehin nie länger als ein paar Minuten, die Männer waren rücksichtslos, grob, ohne Phantasie und Zärtlichkeit. Am Ende überkam mich immer Erleichterung, wenn es vorbei war.
    
    Später fiel bei mir die Entscheidung für die Verwendung eines zuverlässigen Vibrators. So umging ich langweilige Dates oder blödsinnige Bekanntschaften und konnte meinen körperlichen Bedürfnissen wenigstens halbwegs selbst gerecht werden.
    
    Im Grunde war ich in dieser Zeit immer mit meiner Ausbildung zur Krankenschwester beschäftigt, hatte so gut als eben möglich einen chaotischen Haushalt zu führen und war bereits eine Mutter. Mutter, Schwester, Vertraute, beste Freundin und starke Schulter von Nadja, „meinem" Kind.
    
    Mir war bewusst, dass ich mich vernachlässigte, aber was hätte ich anderes tun können?
    
    Zwar trug auch ich die Haare lang und eigentlich wären sie wunderschön gewesen, dunkelblond und leicht gelockt hätten sie mein eher herbes Gesicht sicher weicher wirken lassen, aber da war ...
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