Zenobia
Datum: 09.12.2017,
Kategorien:
Macht / Ohnmacht
Im kühlen Atrium der prächtigen Villa in Tibur, unweit vom prunkvollen kaiserlichen Landsitz des Hadrian, sitzt die schöne Königin traurig und denkt an die verlorene Heimat im Osten. Nach der totalen Niederlage befindet sie sich als rechtlose Gefangene hier, als gewöhnliche Sklavin.
Der Römer hat ihr alles genommen, den Sohn, das Reich und die Heimat. Als aufgeputzte Sklavin wird sie im Triumphzug übers Forum geführt, zusammen mit dem barbarischen Usurpator aus Gallien. Ihre kostbaren Geschmeide kommen ihr schwerer vor als die massiven Eisenketten des Tetricus, sind sie doch als Schmähung und nicht als Schmuck gedacht.
Ihr juwelenbesetztes Diadem, die Halskette aus massivem Gold, die getriebenen Armbänder und die Fußkettchen zeigen eindeutig pornographische Darstellungen der ägyptischen Göttin Hathor, "der Goldenen", der Patronin der Freude, Schönheit und der freien körperlichen Liebe. Anders als die nüchternen Römer in der hellenistischen Tradition ist die Bevölkerung des antiken Orient an offen zur Schau gestellte Erotik gewöhnt und Keuschheit oder gar Jungfräulichkeit stellen für sie keine erstrebenswerten Ziele dar.
Der Pöbel in Rom beschimpft die gefangene Königin als miese Hure, die sich durch ihre unkeusche Tracht als Hetäre ihres Hofs verrate. Mit dem platonischen Philosophen Longinos, ihrem Berater, habe sie das Lager geteilt und den ketzerischen Bischof von Antiochia, Paulus von Samosata, von seinem Glauben abgebracht.
In ihrem Reich des Ostens hat die ...
... Sexualität jedoch eine uneingeschränkt positive Bedeutung. Weibliche erotische Ausstrahlung wird durch kostbaren Schmuck und sorgfältige Schminke, aber auch durch öffentliche Nacktheit verstärkt. Frauen haben Lust am Sex und sind nicht nur zum Vergnügen der Männer und zur Fortpflanzung da! Es ist der nackte, juwelenbehängte und kosmetisch verschönerte weibliche Körper, der die physische Manifestation von Erotik und sexueller Attraktivität darstellt, Eigenschaften, die im Orient mit Vitalität, Macht und Wohlbefinden gleichgesetzt werden und nicht mit Indezenz und Vulgarität.
Kaiser Aurelian, als Sohn eines Landpächters in der Provinz selbst von sehr bescheidener Herkunft, der einzig seinen militärischen Fähigkeiten die Krone verdankt, hat nicht vergessen, wie die stolze Königin seine Herrschergewalt herausgefordert hat, daß sie die reichen östlichen Provinzen aus dem Verband des Imperiums herausgelöst und ihren Staat für unabhängig von Rom erklärt und danach ihren Machtbereich bis nach Ägypten ausgedehnt hat.
Seinen tapferen Feldherrn, den Konsul Marcus Valerius, hat sie mitsamt einer ganzen Legion in einen feigen Hinterhalt gelockt und dann den unerschrockenen Gefangenen grausam gequält. Er hat sich den ehrenvollen Soldatentod durch das Schwert gewünscht, sie läßt ihn als niedrigen Sklaven in staubigen Bergwerken schuften, dursten, hungern und in der ärgsten Hitze schmachten. Persönlich weidet sie sich hämisch an den furchtbaren Qualen des römischen Offiziers, läßt ihn ...