1. Erinnerungen 03


    Datum: 21.05.2020, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie

    ... nicht mehr kannte. Mit dem Unterschied, dass kleine Mädchen nicht den gesamten Körper mit Blut bedeckt hatten, von dem sie nicht einmal sagen konnten, ob es sich um ihr eigenes handelte.
    
    Nein, sie war kein Mädchen mehr, diese Zeit war schon lange vorbei. Zu lange. Die Ereignisse der letzten Jahre hatten sie gezeichnet, sie war nicht mehr die schöne, zerbrechliche Frau von damals, als sie die Akademie verlassen hatte. Sie war zu dem geworden, was sie immer verabscheut hatte.
    
    Würde sie sich selbst begegnen, sie hätte Angst. Angst vor ihrer eigenen Erscheinung, dem Ausdruck in ihren Augen, welcher den Tod geradezu herbeizurufen schien. Und ihren Fähigkeiten, die einen schmerzvolleren Tod verhießen, als Alpträume zeigen konnten. Einen schnelleren, als ein auf sie herabfahrender Blitz es könnte. Das Licht des Lebens einfach wegwischte, als wäre es Dreck. Die gnädigste Variante von allen.
    
    Zum dritten Mal hörte sie ihren Namen, nun war die Stimme direkt hinter ihr. Sie vernahm den rasselnden Atem, als sich eine Hand auf ihre Schulter legte. Die dunkle Haut war mit Blut überdeckt, einige Finger ließen sich offensichtlich nur noch unter großen Schmerzen bewegen. Geduldig wartete sie darauf, dass Cyril etwas sagte.
    
    „Warte ..."
    
    Seine Stimme klang brüchig, es war nicht zu überhören, dass ihm das Sprechen Schmerzen bereitete.
    
    „Warum? Es gibt nichts, was mich an diesen Ort bindet und ich möchte ihn nicht länger sehen ..."
    
    Sie erschrak beinahe über ihre eigene ...
    ... Stimme. Es klang wie eine alte Frau, die bereits unzählige Jahre hinter sich hatte. Ihre Stimme war kraftlos, ohne ein Anzeichen von Hoffnung oder überhaupt irgendeines Gefühls. Es war genau die Stimme, mit der ein Henker die letzten Worte vor der Vollstreckung des Urteils verkündete.
    
    Kurz ließ sie ihren Blick über das Schlachtfeld streifen. An einigen Stellen stachen selbst in diesem Schreckensbild schwarze Flecken hervor, die eindeutig keinen natürlichen Ursprung hatten. Näherte man sich ihnen, bekam man unweigerlich den Geruch von restlos verbrannten Knochen in die Nase: So beißend, dass selbst sie sich immer wieder anstrengen musste, ihre Übelkeit zu überwinden.
    
    „Du weißt, dass du uns heute gerettet hast."
    
    Cyril warf sie damit aus ihren Gedanken, was wahrscheinlich auch besser so war.
    
    „Gerettet? Nein. Ich habe euch vielleicht die Chance auf ein wenig mehr Zeit auf dieser Welt gegeben, aber gerettet habe ich euch damit alle nicht. Eure Seelen waren an dem Tag verloren, als ihr das erste Leben geraubt habt."
    
    Mit einem leichten Kopfschütteln drehte sie sich zu ihm um, sie wollte ihm noch ein letztes Mal in die Augen sehen. Cyril konnte nichts für sein Schicksal, doch sie musste es tun. Es gab keine andere Möglichkeit, andernfalls würde man sie innerhalb weniger Wochen finden. Niemand durfte wissen, dass sie noch lebte. Sie hatte sich entschieden.
    
    „Was ist? Ihr seht merkwürdig aus, selbst, wenn man die letzten Stunden bedenkt", sagte er mit einem fragenden ...
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