Die halbe Wahrheit
Datum: 14.04.2020,
Kategorien:
Erotische Verbindungen
... besten und ohne diesen alkoholischen Nebel, würde ich es nie erzählen.
Er trinkt einen großen Schluck.
„Geht es um mich? Soll ich irgendwas ..."
„Nein! Es geht um deinen Vater. Um mich. Um uns beide. Um Se... uns."
„Sex, wolltest du sagen?"
Ohne Nebel hätte er das nicht gefragt.
„Ja, schon, irgendwie, also auch. Ach, fuck! Früher ist dein Vater über mich hergefallen, nachdem er auf Montage war. Heute komme ich mir vor, als müsste ich lächerliche Tanzübungen vor ihm veranstalten, damit er einen ho..."
„Keine Details, alles klar."
„Tschuldigung. Ich glaube einfach manchmal, dass er mich nicht mehr attraktiv findet."
„Kann ich mir nicht vorstellen."
Mehr Information bitte. Das ist kein ganzer Satz für eine Frau. Warum nicht? Warum genau nicht? Warum außerdem nicht? Männergespräche müssen zu fünfzig Prozent telepathisch verlaufen, sonst könnte da nie was bei rauskommen. Ich sehe ihn fragend, dann auffordernd an. Peinliche Stille.
Phil sieht aus, als wollte er mich in den Arm nehmen und ich muss mir eingestehen, dass ich einen Arm gebrauchen könnte. Die Tränen wollen zurückkehren und werden mit einem aus Rotwein bestehenden Gegenfeuer in Zaum gehalten.
„Also ich finde, dass du noch immer eine schöne Frau bist."
„Danke, das ist nett." Das ist die Untertreibung des Jahres, weil ich mich an nichts Vergleichbares aus dem Mund seines Vaters erinnern kann, seit ... was weiß ich. Mein Selbstwertgefühl liegt da wie ein halbherzig poliertes ...
... Silberbesteck, das man zwar gerne vorzeigt, mit dem man aber nicht isst. Ich gieße Rotwein darüber, damit es wenigstens für den Rest des Abends glänzt.
Phil hat vermutlich das Gegenteil von dem ausgelöst, was er beabsichtigt hat. Die Sehnsucht nach einem Gefühl, das noch nicht lange genug her ist, um es vergessen zu haben und zu lange, um es noch zu spüren. Ich kann mich noch an Ulfs Blicke erinnern, an die Hände danach, den Geruch von Schweiß unter der Decke und seinen Geruch, wenn wir noch eine Weile liegen blieben.
Immerhin beinhaltet Sehnsucht auch ein paar schöne Erinnerungen. Phil zerrt mich aus deren Umarmung, indem er aufsteht.
Er sieht mich an, hält mir seine Hand hin, sieht auf mein noch halbvolles Glas.
„Oh, war ich wohl etwas schneller als du."
Ich trinke mein Glas in einem Zug aus und halte es ihm hin.
„Etwas."
Mit neuer Politur ausgestattet, sitzen wir auf der Couch und sehen wieder auf die Glotze. Meine Füße liegen auf dem Tisch und ich bin eine entspannte Ulf-Versuchung auf zwei atemberaubend tanzenden Beinen, bis mich eine Panzerfaust ins Leben zurückruft.
„Ist das der, der auch diesen Kurierfahrer gespielt hat?"
„Wer?"
„Der ohne Panzerfaust."
„Hab ich jetzt nicht gesehen", gesteht er und rutscht sich zurecht.
„Ich denke, du guckst das?"
„Ja, schon."
Ich bohre nicht nach, stelle aber nach nur einer Minute fest, dass er entweder schielt oder auf meine Füße statt auf den Fernseher sieht.
Ich überlege, was an meinen Füßen nicht ...