1. Wenn die Nachtigall erwacht 08


    Datum: 26.03.2020, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie

    ... Sven knallte den Ball mit solcher Wucht gegen die Wand, dass er kraftvoller als sonst von der Wand abprallte, über seinen Kopf hinweg schoss, gegen die gegenüberliegend Wand klatschte und am anderen Ende des Raums das Regal mit den Lebensmitteln abräumte.
    
    Diesen kleinen Lebensmittelvorrat hatte Miriam angelegt, damit sie sich nicht jedes Mal anziehen und zu einem Imbiss gehen mussten, wenn sie der Hunger überkam. So viel geilen Sex, wie in den letzten Wochen, hatten weder Sven noch sein Bett je erlebt. Da war es wirklich sinnvoll, etwas zu Essen in Reichweite zu haben, wenn man tief in der Nacht nach einem erfüllenden Orgasmus spürte, dass der Magen knurrte. Aber scheinbar war das nicht genug Sex für Miriam, oder es war nicht intensiv genug, oder er war einfach nur ein beschissener Liebhaber.
    
    »Fuck!«, schrie Sven, weil er nicht wusste, was er falsch machte.
    
    Dabei sagte sie immer, dass sie mit ihm glücklich sei - dann musste selbst das eine Lüge sein. Das Geständnis über ihren Seitensprung hatte sie ganz unumwunden zugegeben, als wäre es ihr nur vordergründig peinlich gewesen. Oder ihr fehlte jeglicher Sinn für die Grundprinzipien einer Paarbeziehung. Für einen kurzen Moment stellte Sven seine Meinung infrage. Vielleicht war sie so offen und ehrlich, weil sie ihm nichts verheimlichen wollte. Vielleicht war er zu verbissen. Es gab Paare, die Seitensprünge tolerierten oder gemeinsamen Partnertausch betrieben. Aber das kam für Sven nicht infrage, nicht in einer ...
    ... Beziehung, die erst ein paar Wochen alt war.
    
    Es war bereits früher Abend, als Sven aufstand und den Ball aus der Ecke des Raumes holte, um ihn wieder gegen die Wand dreschen zu können. Sein Mobiltelefon blinkte, er hatte eine Nachricht von Miriam.
    
    "Können wir uns treffen, ich will das klären."
    
    Sven schaute auf den Text, bis die Beleuchtung des Displays erlosch. Er schaute trotzdem auf die Stelle, als könne er die Buchstaben immer noch lesen. Dann antwortete er: "Klär das mit dir selbst!"
    
    ***
    
    Miriam stand in ihrem Schlafzimmer, das durch die fehlende Trennwand jetzt zu einem Raum mit der Abstellkammer geworden war, in der V'nyx der IV. wuchs. Sie trug ein Businessdress: hochhackige Pumps, einen knielangen Bleistiftrock, weiße Bluse und einen taillierten Blazer. In einer Hand hielt sie eine Aktenmappe, in der anderen ihr Smartphone, auf dem Svens Antwort angezeigt wurde. Sie las den Text, dann verschwamm ihr Blick hinter einem Tränenschleier. Das flaue Gefühl in ihrem Magen quälte sie schon den ganzen Tag, nun wurde es zu einem stechenden Brennen.
    
    Sie wollte zu Sven laufen und mit ihm reden. Zur Not würde sie die halbe Nacht durch die Stadt laufen, um ihn zu finden, aber sie schaffte nicht einmal den ersten Schritt. Abgesehen von der Übelkeit wurde ihr nun auch noch schwindelig. Ihr fielen die Aktenmappe und das Smartphone aus den Händen, dann taumelte sie und knickte auf den hohen Schuhen um. Während des Falls griffen ihr einige Tentakel von V'nyx dem IV. unter die ...