1. Erinnerungen 01


    Datum: 18.03.2020, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie

    ... stand, zurückgehalten und einfach nur geschwiegen. Seitdem hatte er stets eine gewisse Abneigung gegen Waldläuferinnen gehegt, für ihn waren sie überheblich und angeberisch, er hatte allerdings bis heute auch keine zweite von Angesicht zu Angesicht getroffen.
    
    Die Züge der Frau, die ihm nun gegenüber saß waren hart und bestimmt, darunter schien jedoch noch etwas anderes zu liegen. Sie schien müde und erschöpft, jedoch nicht, weil sie viel gelaufen wäre: Ihre Art von Erschöpfung kam aus dem Inneren.
    
    Ein spöttisches Lächeln stahl sich auf seine Lippen, kaum bemerkbar und dennoch machte es aus seiner Ablehnung gegen die Waldläuferin keinen Hehl. Schön zu sehen, dass auch sie nicht von so weltlichen Problemen verschon blieben, er selbst musste mit derartigem schon seit mehreren Jahren fertig werden. Er fragte sich, warum sie sich gerade zu ihm an den Tisch gesetzt hatte, es gab noch ein paar andere freie Plätze und seine Erscheinung war nicht gerade das, was man als vertrauenserweckend bezeichnen könnte. Nicht heute und nicht an diesem Abend.
    
    Auch er hatte über die Jahre ein wettergegerbtes Gesicht entwickelt, eingerahmt von einem wilden Haarwuchs, dem man ansah, dass er nicht allzu häufig gepflegt wurde. Seine Kleidung bestand aus einem blutroten Umhang mit schwarzen Rändern, der Stil war dem eines Heilers angepasst, mit vielen Taschen und ohne Schmuck, doch die Farben sprachen gegen eine solche Tätigkeit. Ein Heiler kleidete sich normalerweise in Weiß und Grün, ...
    ... Schwarz und Rot dagegen waren die Farben des Todes. Deutlich sichtbar hingen zwei Einhandstreitkolben am Gürtel des Umhangs, neben ihm stand ein Lederrucksack aus dem einzelne Rüstungsteile hervor lugten.
    
    In Verbindung mit seiner Gestalt hätte es wohl das Potenzial einigen jungen Hausmädchen einen nachhaltigen Schrecken einzujagen: Er war groß gewachsen und seine kräftigen Muskeln waren ohne einen näheren Blick erkennbar.
    
    Abermals nippte er an seinem Bier, ohne wirklich etwas zu trinken und sah wieder die Waldläuferin an. Abgesehen von seiner Abneigung gegen ihren Stand war es durchaus ungewöhnlich, eine zu treffen, in den letzten Jahren waren sie überaus selten geworden. Viele waren im Krieg zwischen Gralen und Pontia umgekommen, wenngleich sie damit eigentlich nie etwas zu tun gehabt hatten. Sie wurden einfach als unvermeidlicher Kollateralschaden abgetan und keiner hatte sich um sie gekümmert oder sich für sie eingesetzt.
    
    Zum ersten Mal, seitdem sie sich zu ihm gesetzt hatte, hob nun auch sie den Blick und sah ihm direkt in die Augen. Ihr Blick war durchdringend, wissend, sie war sich ihrer Position bewusst. Dennoch spiegelte sich in ihren grauen Augen etwas wieder, was er nicht genau einschätzen konnte, ein kaum merklicher Schatten lag darüber.
    
    „Daria.", stellte sie sich mit tonloser Stimme vor. Sie hatte keine Regung im Gesicht gezeigt, nur dieses einzelne Wort war aus ihrem Mund gekommen. Trotzdem machte ihre Art unmissverständlich klar, dass sie auch von ihm ...
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