Zwischenstopp
Datum: 30.11.2017,
Kategorien:
Macht / Ohnmacht
Der Morgen sah nicht nach Weltuntergang aus. Die Sonne ging über den flachen Rücken der Henderson-Berge auf und kündigte einen herrlichen Sommertag an, mit strahlend blauem Himmel und nicht zu heiß für die Arbeit auf den Feldern. Recart war früh auf den Beinen. Der Boden war noch leicht feucht vom Regen der letzten Tage, ideal für die Aussaat. Recart wollte auf dem Südfeld frisches Sorgras säen. Mit Hilfe seiner beiden mittleren Söhne, Jon und Caleb, sollte das bis Mittag erledigt sein.
Sie schafften es knapp. Das Essen stand schon auf dem Tisch, als sie erschöpft und verdreckt zurückkamen. Zuerst wurden dennoch die Pferde versorgt. Recart war mit Caleb im Stall, als es plötzlich dunkel wurde wie von einer massiven Gewitterwolke. Recart blickte erstaunt auf. Es lag kein Gewitter in der Luft heute. Doch er hatte ein Pferd zu versorgen, und die Dunkelheit verschwand so rasch, wie sie gekommen war.
Sie saßen auf der Veranda hinter dem Haus beim Essen ... Recart, seine Frau Liny und die fünf Söhne ... als es zum zweiten Mal dunkel wurde. Recart hielt kurz inne, um dann bedächtig weiter zu kauen. Nahrung war eine Gottesgabe, und ihr Verzehr hatte in Dankbarkeit und Ruhe stattzufinden. Bo jedoch hielt es nicht auf seinem Stuhl. Er war der jüngste der Familie und hatte seine Kindereien noch nicht völlig abgelegt, obwohl er bereits vor zwei Jahren sein Mannsfest gefeiert hatte und seither als Erwachsener galt. Er sprang auf, lief ins Freie und schaute zum Himmel hinauf.
Es ...
... dauerte einen Moment, bis Recart auffiel, dass Bo sich nicht mehr rührte. Beim Mittagsmahl an Werktagen waren die Regeln nicht so streng wie sonst. Vermutlich hätte er gar nichts gesagt, allenfalls einen missbilligenden Blick auf seinen Jüngsten geworfen, wenn dieser geruhte, wieder an den Tisch zurückzukehren. Doch irgendetwas war anders. Recart drehte sich nach seinem Sohn um und sah verwundert, dass Bo ganz starr dastand. Er hatte die Augen mit der Hand beschirmt und blickte zum Himmel. Die Wolke war schon wieder am Abziehen. Rasch näherte sich die Schattengrenze dem Jungen ... in den nun Bewegung kam. Er streckte eine Hand aus, deutete nach oben und rief ... schrill und wie in Panik: "Vater!"
"Bei aller Liebe, Bo, was ist denn?" antwortete Liny, bevor Recart reagieren konnte. "Was ist los?"
"Da ... da am Himmel ... das ... ist ..."
"Was soll denn da sein?" brummte Recart, mehr zu sich selbst, und überlegte noch, ob die Aufregung eine Unterbrechung des Mahls wert war, als Nero, sein Ältester, bereits aufgestanden und hinausgegangen war ... ebenso starr wie Bo stehenblieb, nach Westen blickte und ihn rief: "Vater! Komm! Das ... solltest du dir wirklich ansehen!"
Er erhob sich und ging zu seinen Söhnen, die inzwischen vollzählig auf der Wiese versammelt waren und wie ein Mann auf etwas starrten, das sich auf der anderen Seite des Hauses befand. Er erreichte Nero, drehte sich um ...
... und erstarrte ebenfalls.
Ein völlig unglaubliches, unvorstellbares Etwas ...