1. Blutrache Teil 02


    Datum: 23.02.2020, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie

    ... zu vermeiden suchen. Nur so würde sein Geist Reinheit erlangen können.
    
    Abgelenkt wartete der Novize, während der Bruder sich umdrehte und die Tür schloss. Sein gesenkter Kopf und die Kapuze seiner Robe enthüllten nichts von seiner Identität. Ebenso wenig, wie das hölzerne Zeichen des Gottes auf seiner Brust.
    
    Doch das war natürlich beabsichtigt. Ein Priester Selokurs sprach im Namen der Gottheit und war dessen Werkzeug. Seine menschliche Identität war ohne Bedeutung.
    
    Als der Bruder sich dann wieder umdrehte, gewann die Identitätsfrage allerdings plötzlich eine ganz neue Bedeutung.
    
    Die Hände glitten aus den weiten Ärmeln und die Kapuze wurde zurückgeschlagen. Die roten, langen Haare, die dadurch enthüllt wurden, waren nur eine von vielen Unmöglichkeiten, denn jeder Diener entsagte der Eitelkeit und entfernte sein Haupthaar.
    
    Viel bedeutsamer waren die wunderschönen, weiblichen Züge des Gesichts, das von der wilden Lockenpracht eingerahmt wurde.
    
    Selbstverständlich konnten Frauen als Ursprung und Quell aller fleischlichen Versuchung niemals Diener des Gottes werden. Sie konnten ihren Willen zur Entsagung bekunden und als Töchter Selokurs in eine der Schwesternschaften eintreten, aber niemals durften sie eine verantwortliche Position einnehmen oder gar wagen, die Zeichen der Autorität der Priesterschaft zu ergreifen.
    
    Zeichen wie die graue Robe und den hölzernen Siebenstern, den die Frau um den Hals trug.
    
    Natürlich erkannte Geron sie. Ihre Züge verfolgten ...
    ... ihn ja sogar in seinen Träumen. Und das machte es noch schlimmer, sie plötzlich in Fleisch und Blut vor sich zu sehen.
    
    „Geliebter!", wisperte sie mit mühsam unterdrückter Freude in der Stimme.
    
    „Shadiya!", erwiderte er. „Was... Was tust du hier?"
    
    „Ich komme zu dir", erklärte sie sichtlich enttäuscht von seinem Mangel an Begeisterung.
    
    „Aber du trägst die Zeichen der Priesterschaft. Das ist verboten!"
    
    „Und hier zu sein ist mir nicht verboten?", fragte sie mit dem leicht verschlagenen Lächeln, dass er immer so unwiderstehlich gefunden hatte.
    
    Fast immer hatte dieses Lächeln etwas angekündigt, das am Ende in reichlich fleischlicher Lust endete. Unwillkürlich spürte Geron, wie sich allein durch die Erinnerung etwas in seiner Robe regte.
    
    „Natürlich ist es verboten", belehrte er sie. „Bei strengster Strafe. Und der Missbrauch der priesterlichen Symbole macht es nur noch viel schlimmer."
    
    „Dann lass uns keine Zeit verschwenden und von hier fliehen", schlug sie vor.
    
    „Das musst du tun", bestätigte er. „Doch ich werde bleiben. Ich bin aus freien Stücken hier."
    
    „Du bist hier, weil deine Mutter den Mönch bestochen hat, dich zu erwählen", widersprach Shadiya energisch. „Ich hörte, wie sie es voller Stolz deiner Großmutter berichtete."
    
    Kurz stockte Geron der Atem. Es wollte ihm unglaublich erscheinen, was seine einstige Geliebte ihm berichtete. Doch er kannte seine Mutter. Und er wusste mittlerweile auch, dass die wandernden Mönche nicht immer gänzlich fest im ...
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