1. In der Horror-Klasse


    Datum: 19.01.2020, Kategorien: Schwule

    ... aggressiver und ruppiger, aber ich konnte damit umgehen.
    
    Mädchen waren für mich Spielkameradinnen oder Bekannte. Mehr nicht. Ich konnte mir in meiner Naivität nicht vorstellen, in einer anderen, speziellen Weise auf sie zu wirken. Eine solche Möglichkeit war in meinem Kopf nicht vorprogrammiert. Ich war doch schwul! Das müssen Frauen doch eklig und absonderlich finden!
    
    Eines Tages sagte mir meine Schwester, dass sie mit mir Geld verdienen könne. Ihre Freundinnen hatten ihr angeboten, für jede meiner Unterhosen fünf Mark zu bezahlen, für ungewaschene zehn. Das würde sie natürlich nie tun. Vorsichtshalber schloss ich meinen Kleiderschrank ab für den Fall, dass sie mal unter Geldnot leiden sollte ...
    
    Auch aus d Richtung meiner Freunde kamen Signale, dass ich beim Weibervolk als "sexy Biest" geführt würde. Zugegeben: das bauchpinselte mich natürlich, half mir aber nicht wirklich und ich ordnete solche Aussagen als das ein, was sie vermutlich waren: maßlose Übertreibungen.
    
    Wir zogen in unser neues Haus und unsere Eltern regten an, die Schulen zu wechseln. Bei meinem Bruder ging das nicht, denn er machte gerade Abitur und meine Schwester lehnte ab. Ich aber wollte mich mit dem Wechsel in ein neues Abenteuer stürzen.
    
    Das war ein schwerer Fehler.
    
    Von außen wurde die Nachricht von meiner sexuellen Orientierung in die Schule getragen und damit begann für mich eine schwierige Zeit. In dieser riesigen Bildungseinrichtung arbeiteten Lehrer, die den Eindruck machten, ...
    ... wegen erwiesener Unfähigkeit strafversetzt worden zu sein. Miserable, frustrierte, faule Schulbeamte, die ihre Schüler nicht mochten und im Lehrerzimmer Krieg gegeneinander führten, zumindest im Bereich Gymnasium. Sie hatten nur den einen Wunsch: So schnell wie möglich in Frühpension gehen.
    
    Ich landete in einer Horrorklasse. Die Atmosphäre und das Niveau wurden von sechs Kerlen bestimmt, denen man folgende Eigenschaften zuordnen musste: Dumm wie Brot, aggressiv, primitiv und rechtsradikal. Ich war ihr Feindbild, Abschaum. Es waren emotional ausgehungerte und verzogene Kinder reicher Eltern, die endlich ein Opfer gefunden hatten. Mein Name war "Schwuchtel", "Hinterlader", "Arschficker" ... Körperliche Angriffe waren an der Tagesordnung: Ein Stoß hier, ein Tritt in den Hintern dort, mal ein Bein gestellt, mal Cola auf den Sitz geschüttet. Einer beschwerte sich ganz offiziell bei einem Lehrer, dass er es für eine Zumutung halte, mit einem Homosexuellen in einem Zimmer sitzen zu müssen. Der Pestalozzi-Verschnitt am Lehrerpult hätte jetzt eigentlich eine pädagogisch wertvolle Ansprache halten müssen; doch er stotterte nur herum und sagte sinngemäß, dass es das eben gäbe und man damit klarkommen müsse. Nach dieser Schulstunde bekam ich zu hören: "Beim Adolf wärste in der Gaskammer gelandet!"
    
    Der Hass auf mich speiste sich nicht nur aus dem Umstand meiner sexuellen Orientierung; ich war auch Klassenbester. Bei dieser Konkurrenz keine große Kunst. Und: Ich war bei den Weibern immer ...
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