1. Die Kunst, eine Affäre zu vermeiden


    Datum: 13.01.2020, Kategorien: Humor

    ... einfach sein? Warum durften sie
    
    ihre Bedürfnisse nicht ausleben?
    
    Jörg war derweil nach draußen gegangen. Also durfte sie zurück
    
    schauen. Sie zog einen Mundwinkel, eine Schulter hoch.
    
    „Ja, sowas gibt’s tatsächlich. Also, für mich jedenfalls.“
    
    Er nickte und grinste. „Ich weiß.“ Dabei spitzte er
    
    leicht die Lippen. Über eine weißhaarige Dame hinweg sahen
    
    sie sich an. Und zum ersten Mal wichen sie einander nicht
    
    aus. Sie bemühte sich, alles in diesen Blick zu legen, was
    
    sie zu sagen hatte. Es war viel. In seinen Augen sah sie...
    
    Angst, Aufregung, Verwirrung. Dann glitt sein Blick zu ihrem
    
    Mund, und nun zuckte er endlich deutlich erschrocken zurück.
    
    Traurig sah sie ihn an.
    
    Er lief rot an und rannte hinaus.
    
    Sie nahm sich die Gitarre und begann leise zu singen:
    
    „Horch, was kommt von draußen rein“.
    
    II
    
    Am nächsten Tag mied er ihren Blick. Mied ihren Blick,
    
    schickte sie nach oben und ließ sie dort allein.
    
    Sie arbeitete, halbwegs erleichtert, vor sich hin.
    
    Zum Glück gab es immer genug zu tun!
    
    Wenn sie ihn suchte, wich er ihr aus, bis sie es auf-
    
    gab. Zum Ausgleich war sie besonders fürsorglich, half
    
    überall und sprach kein schlechtes Wort über irgend
    
    jemanden.
    
    Zwar tat es weh, aber die Erleichterung war größer. Sie
    
    wollte ihm dies gerne klar machen. Doch reden?
    
    Mit einem Mann? Über Gefühle, die diesem vielleicht nicht
    
    einmal ganz bewusst, geschweige denn geheuer waren?
    
    Und das Ganze auf Arbeit, wo ...
    ... sie nie, nie, nie alles
    
    preisgeben durfte?
    
    Jede Nacht träumte sie von ihm. Beim Einschlafen
    
    musste sie sich einfach vorstellen, wie sie seinen Kopf
    
    an sich drückte, ihn küsste, streichelte...
    
    und dabei hoffte, dass seine Frau das für ihn tat.
    
    Sie wollte so sehr, dass es ihm gutging.
    
    Ob es irgendwo auf der Welt jemanden gab, der sie verstand?
    
    Der ihre Art, Liebe zu geben, akzeptieren konnte?
    
    Sie wusste inzwischen, dass selbst all diese Impulse,
    
    die zwischen ihnen hin und her gelaufen waren, nicht
    
    bis zum Bewusstsein eines Mannes vorzudringen brauchten.
    
    Es konnte durchaus sein, dass er sich garnicht im Klaren
    
    war, was da zwischen ihnen lief.
    
    Wahrscheinlicher fand sie allerdings die Variante, dass
    
    er hartnäckig vor sich und allen anderen seine Gefühle
    
    leugnete. Ach, wie gerne hätte sie ihm geholfen.
    
    Sie konnte ihn ja verstehen. Sie wollte doch nichts
    
    zerstören- und doch waren ihre Gefühle für ihn so stark,
    
    so...er war einfach heiß- und sie musste wahnsinnig
    
    aufpassen, dass sie sich nicht die Finger verbrannte!
    
    In der darauffolgenden Woche- es regnete, und sie hatte
    
    erneut fast nur noch auf ihrem Wohnbereich zu tun-
    
    fand sie allmählich wieder zu einer kühlen, höflich-
    
    distanzierten Umgangsform zu ihm zurück.
    
    Das ging sogar so weit, dass Mandy sie fragte, ob sie etwa
    
    von ihm Anschiss gekriegt hätte. Sie antwortete,
    
    dass sie sicher im Moment wieder einiges falsch machte,
    
    was Mandy sehr wunderte. Denn ...