1. Verstoßen


    Datum: 13.01.2020, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie

    ... Lledrith die Samen- und Speichelreste vom Mund und sah den Oberweltler an, wie er da, befriedigt und erschöpft in seinem Bett lag und schlief.
    
    Sie erkannte, worin die Macht einer Frau an der Oberfläche bestand.
    
    *
    
    Lledrith begann, die Sprache der Menschen zu erlernen, welche gemeinhin als die Handelssprache bekannt war. Sie war intelligent und lernwillig und beherrschte neben der Sprache der Unterwelt, einem wüsten Samelsorium aus Dialekten und Bruchstücken des gemeinen elfischen, auch die Sprache der Orks und Goblins.
    
    Die Sprache der Menschen war weit weniger komplex als elfisch, jedoch deutlich gehobener als das stumpfe orkisch oder das primitive goblinisch. Sie begannen mit einfachen Dingen, Tisch, Stuhl, Feuer, Dinge, die sie umgaben und die in unmittelbarer Nähe waren. Die Drow lernte schnell und nach zwei Wochen konnte sie erste, zusammenhängende Sätze in der Handelssprache sprechen.
    
    Es vergingen weitere zwei Wochen, bis sie eines Abends die Sicherheit fühlte, um Jugal während dem Essen eine Frage zu stellen, die ihr schon lange auf der Zunge gebrannt hat:
    
    "Warum hast du mich gerettet?"
    
    Der Jäger sah von seiner Schüssel auf und blickte sie nachdenklich an. Dann sagte er:
    
    "Weil du Hilfe gebraucht hast."
    
    Diese Antwort verwirrte die Dunkelelfe. Wenn jemand Hilfe braucht, ist er zu schwach, um selbst zu überleben. Wenn er aus eigenem Antrieb nicht überleben konnte, verdiente er es nicht, zu leben. Die gesamte Drowgesellschaft funktionierte nach ...
    ... diesem gnadenlosen Prinzip. Die Schwachen wurden früh aussortiert um Platz für die Starken zu schaffen.
    
    Jagul sah sie an, als erwarte er weitere Fragen, doch Lledrith winkte nur ab.
    
    Sie hatte genug gehört.
    
    *
    
    Es vergingen weitere Wochen und die Drow gewöhnte sich zunehmend an die Oberfläche. Tagsüber verbarg sie sich meist in der Hütte, denn die brennenden Sonnenstrahlen empfand sie als äusserst unangenehm. Erst Nachts, wenn der Jäger müde und befriedigt im Bett lag, verließ sie das Haus, um einen Spaziergang durch den Schnee zu machen und sich diese seltsame, für sie fremdartige Welt anzusehen. Hier an der Oberfläche war alles anders, nicht nur der Umgang miteinander. Die gesamte Flora und Fauna unterschied sich maßgeblich von der ihrer Heimat. Regen und Schnee fielen vom Himmel, dieser gespenstischen Endlosigkeit über ihrem Kopf, die Sonne, deren grelle Strahlen sie blendeten, verschwand nach einer gewissen Zeit und machte dem Mond Platz, einer wunderbaren, hell leuchtenden Kugel, die mit der Zeit an Masse abnahm, bis nur noch eine leuchtende Sichel am Nachthimmel hing und dann wieder zunahm, sodass er hell und voll am Himmel erstrahlte. Der Mond gefiel ihr soviel besser als die unbarmherzig brennende Sonne, denn er hatte Anmut, er war geheimnisvoll und ein Kind der Dunkelheit.
    
    Manchmal saß Lledrith stundenlang im Schnee und betrachtete den Sternenhimmel. Sie würde nie mehr in ihre Heimat zurückkehren können. Ihr Haus und ihre gesamte Familie waren tot oder ...
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