1. Die See-Bestattung


    Datum: 13.11.2017, Kategorien: Verführung

    ... Inge machte in dieser Zeit ihre Haare. Der Room-Service klopfte diskret, als wir in die gelben Bademäntel gehüllt, wieder im Bett waren. Sie kamen zu zweit und bauten rasch und geschickt die beiden Tischchen auf. Das Frühstück war perfekt angerichtet. Frisch gepresster Orangensaft, Sekt im Eiskühler, Lachs, roter Kaviar von der Maräne, Camembert aus Frankreich, der noch lebte und nicht wie die deutschen Sorten wie Pudding schmeckte. Bircher-Benner-Müsli, diverse Confitüren und sogar englisches Lemon Curd. Tee aus Darjeeling mit flüssiger Sahne. Rühreier, mit Bacon natürlich. Wir ließen uns Zeit und steckten uns gegenseitig manchen Leckerbissen in den Mund, bei manchen endete es mit einem Kuß. Wir hatten ja beim Verlassen der Suite nichts zu packen und der Vorgang des Aus-Checkens an der Rezeption im Erdgeschoß bestand darin, daß ich eine Rechnung abzeichnete. Bevor wir ins Auto stiegen, ging ich noch rasch um die Ecke in die Apotheke und besorgte Bepanthen-Wundsalbe für Inge, für alle Fälle. Bei der Rückfahrt ließ ich mir Zeit. Sie meinte, sie müsse noch Grünen Tee besorgen, eine Nachbarin sei darin etwas anspruchsvoll. Kuchen würde sie aus Zeitgründen nicht mehr backen wollen, vielleicht könnten wir noch an einer guten Konditorei vorbeifahren. Sacher und Schwarzwälder Kirsch täten es doch wohl auch. Ich erzählte ihr, daß mein Vater uns Kinder immer auf der Rückfahrt von der Ostsee gefragt hatte, wenn wir wieder ein Wochenende auf einer Segelyacht verbracht hatten, was denn ...
    ... nun das beste am Wochenende gewesen sei. Ich weiß noch, wie enttäuscht er war, als ich mal sagte, das Beste sei die tolle Lokomotive auf dem Bahnhof von Lübeck gewesen. "Was war denn für Dich am besten gewesen?" fragte ich sie. "Puh, da fragst Du aber was. Wenn ich ganz ehrlich sein soll unter uns Pastorentöchtern und niemand zuhört: Als die Urne vom Kapitän abgesenkt wurde und im Wasser verschwand. Als zweites, daß Du mir mit den Judo-Regeln meine Angst genommen hast, als ich von Dir in der Suite abgesetzt wurde. Als Drittes, daß Du mich dazu gebracht hast, Dinge freiwillig zu tun, zu denen ich früher gezwungen worden bin." Hierbei schaute ich sie kurz an und sagte: "Man kann die Wirkung nicht nur sehen, sondern sogar auch fühlen, was Protein alles bewirken kann." Hierbei streichelte ich liebevoll ihre linke Wange mit meinem Handrücken. Sie schob lachend meine Hand weg und meinte, ich solle mich wieder mehr auf den Straßenverkehr konzentrieren. "Aber eigentlich, wenn ich nochmal richtig drüber nachdenke, waren es die Gespräche mit Dir. Auch wenn ich bei einigen Geschichten vielleicht mal kurz eingeschlafen bin und nicht alles mitbekommen habe. Sowas kannte ich garnicht. Geredet haben wir im Bett nie viel, ich wurde benutzt. Sicher hätte es für meinen Mann eine Gummi-Else auch getan. Nein, sorry, man soll ja über Verstorbene nichts Schlechtes sagen. Er kann sich ja nicht mehr wehren. Aber die Defizite waren einfach da. Und jetzt, wo ich erlebt habe, wie es auch sein kann, wenn ...
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