1. Zum Schwulsein verführt


    Datum: 10.06.2019, Kategorien: Schwule

    ... angesichts meiner angespannten Situation fast wie ein kleiner Lichtblick für mich war. Ich konnte gar nicht anders, als dieses kleine Lächeln schließlich mit einem leichten Schmunzeln zu erwidern, wandte meinen Blick dann aber doch eher ein bisschen schüchtern wieder zu der Fensterscheibe zurück. Den Kontakt mit völlig fremden Menschen war ich nicht gewohnt - schon gar nicht mit einem deutlich älteren Mann, der solch einen Respekt auf mich ausübte.
    
    Die Straßenbahn war in der Zwischenzeit schon wieder angefahren und erneut blickte ich aus dem Fenster nach draußen. Statt der tanzenden Regentropfen beobachtete ich nun aber das Spiegelbild des Mannes, der seine Augen scheinbar noch immer nicht von mir abgewendet hatte und mich von Kopf bis Fuß zu mustern schien. Ich hatte seine eindringliche Blicke sogar praktisch überall an meinem Körper spüren können, wusste sie aber in diesem Augenblick nicht richtig einzuschätzen. Es war nicht unangenehm für mich gewesen, ich fühlte mich aber plötzlich wieder in die Zeit als Schüler während einer Mathe-Prüfung zurückversetzt, bei der ich genauso argwöhnisch unter Kontrolle stand und beobachtet wurde wie jetzt. Und das war eine sehr zwiespältige Erfahrung.
    
    Die Straßenbahn kam erneut zum Stehen und ich seufzte innerlich. Wie gerne wäre ich bei diesem dunklen, regnerischen Wetter schon zuhause gewesen, hätte mich geduscht und danach einfach nur ins Bett gelegt - am liebsten natürlich nicht alleine, sondern mit irgendjemandem zusammen. Auch ...
    ... mein unbekanntes Gegenüber seufzte nun ganz leise. Er schaute wieder zu mir auf und sprach mich dann sogar ganz plötzlich an: „Ist das denn nicht wirklich ein Jammer mit den Straßenbahnen heutzutage?", meinte er. „Entweder kommen sie zu spät oder gar nicht. Und wenn sie dann einmal kommen, dann ist man Ewigkeiten damit unterwegs. Einfach schrecklich oder nicht?"
    
    Er schüttelte dabei verständnislos mit seinem Kopf und lächelte mich danach erneut sehr freundlich mit einem Blick über die Brille an. Das war ein angenehmes, warmes Lächeln gewesen, das ich in Anbetracht meiner damaligen Situation nur allzu gut gebrauchen konnte. Dieser Mann war mir tatsächlich völlig fremd gewesen und wir hatten uns noch nie zuvor gesehen - aber dennoch schien ich ihm wohl auf irgendeine Art und Weise sympathisch zu sein. Ich wunderte mich sehr darüber und konnte seine Sympathie in diesem Augenblick nicht richtig einschätzen. Trotzdem freute ich mich aber sehr darüber und empfand die kleine Unterhaltung in dem Moment als äußerst angenehm.
    
    „Das stimmt.", entgegnete ich ihm nach einem kurzen Zögern nur eher schüchtern und so leise, dass man mich kaum verstehen konnte. „Aber zum Glück muss ich ja auch nicht so weit fahren."
    
    Wir begannen uns nun weiter sehr angeregt zu unterhalten. Er wollte wissen, wohin ich fahren würde und woher ich kam. Als er dann hörte, dass ich Student war, da erkundigte er sich auch gleich nach meinem Studiengang und meinem Alter. Er war sehr nett und freundlich, alles ...
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