1. Heute Nicht


    Datum: 09.02.2019, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie

    Schutzsuchend kämpfte sich die junge Frau durch den unbarmherzig wütenden Aschesturm. Die Sicht betrug nicht einmal fünf Meter, die aufgewirbelte Asche legte sich wie Schnee auf ihre lederne Kleidung und es war nur ihrer Gasmaske zu verdanken, dass sie inmitten dieses Aufbäumens der geschändeten Natur nicht einfach nach Atem ringend zu Boden stürzte und wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft schnappend von der Asche begraben wurde.
    
    "Heute nicht.", sagte sie immer wieder laut und hörte sich bei dem lauten Pfeiffen des Windes selbst nicht. "Heute nicht." Das sagte sie immer, wenn der Tod seine knochigen Finger nach ihr ausstreckte.
    
    Heute nicht.
    
    Es war nicht nur die Asche, die den Sturm so tödlich machte, sondern auch die Winde, die zuweilen eine Geschwindigkeit erreichten, dass sie einen Menschen wortwörtlich fortwehen konnten. Sie musste einen Unterschlupf finden, irgendetwas. Die eiserne Regel besagte im Falle eines Aschesturmes, etwas mit einem stabilen Fundament aufzusuchen. Einen Keller oder eine Höhle vielleicht, doch sie würde sich in diesem Moment sogar in einer Mülltonne verkriechen, wenn sie denn eine finden würde.
    
    Es war zunehmend schwerer, vorwärts zu kommen. Die Asche zu ihren Füßen wurde immer höher, bis zu den Knöcheln versank sie in der grauen, weichen Masse, die überall um sie herumwirbelte. Ein Leben im Ödland lehrte sie eines: Immer einen kühlen Kopf bewahren, immer rational denken. Sie kämpfte das schleichende und ekelhafte Gefühl der Angst ...
    ... nieder, welches wie eine Schnecke ihren Rücken hinauf kroch, sie kämpfte es nieder, biss die Zähne zusammen und ging weiter.
    
    Die Augen offenhaltend, watete sie durch die Aschewüste, blickte nach links und nach rechts, nach irgendetwas, einem Autowrack, einem Müllcontainer, einer Ruine, hauptsache es würde ihr Schutz gewähren. Es mochte der Wink des Schicksals sein, dass sie erst über ihre Rettung stolpern musste, um sie zu bemerken. Vor ihr im Boden war ein Kanalschacht, zumindest hielt sie es für einen. Es war eine von Beton ummantelte, kleine Einstiegsluke.
    
    Was es war oder wohin es führte, war der Frau egal, sofort und ohne zu überlegen drehte sie in ihrer Not ächzent an dem eingerosteten Gewinde, öffnete die Luke und blickte in die gähnende Finsternis hinab, in die eine schmale, braune Leiter führte, deren Lack bereits abblätterte. Nur ein kleiner Moment des Zögerns, dann ergriff sie ihre Taschenlampe und die Chance, die ihr das Schicksal gegeben hatte.
    
    *
    
    Gespenstisch halte das Heulen des Sturms an der Oberfläche durch den schmalen Tunnel, der nun vor ihr lag. Laut ihrem Geigerzähler war die Radioaktivität in diesen Tunneln sehr gering, also nahm sie ihre Gasmaske ab und klopfte die dichte Ascheschicht von dem schwarzen Gummi, ehe sie die Maske an dem Karabinerhaken ihres Gürtels befestigte. Es war die Neugier, die sie tiefer in den Tunnel trieb, den schmalen Lichtkegel ihrer Lampe voran, dicht gefolgt von dem Lauf ihres Sturmgewehrs.
    
    Man konnte nie wissen, ...
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