1. Wenn die Nachtigall erwacht 15


    Datum: 11.10.2017, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie

    ... ihrem Gewissen frei entscheiden dürfen.«
    
    Der letzte Satz war für die Königin von großer Bedeutung, da sie selbst, als Drohne von ihrem Kollektiv getrennt, in einer Welt voller Menschen zurechtkommen musste. Während die Königin trauerte und die Tragweite der vor ihr liegenden Entscheidungen abwog, wuchs ein Pflänzchen aus der tränennassen Erde.
    
    Das Pflänzchen war in wenigen Augenblicken zu einem Strauch herangewachsen, an dem sich dunkelblaue tropfenförmige Beeren entwickelten. Die Königin pflückte eine Beere, legte sie auf ihre Zunge und zerdrückte die weiche Schale an ihrem Gaumen. Das süße Fruchtfleisch floss über ihre Geschmacksknospen und sie hörte ihre eigenen Worte, wie Erinnerungen in ihrem Kopf. Die Beeren hatten das grundlegende Wissen, dass eine jede Drohne der Blauen Königin haben sollte, in ihrem Fruchtsaft gespeichert. Die Königin stand auf und schaute sich den Strauch an. Die letzte Träne auf ihrer Wange war noch nicht getrocknet, als ihr ein Lächeln über die Lippen huschte.
    
    »Was habe ich getan?«, fragte die Königin. M'ryn der I. kam auf leisen Pfoten zu ihr und umkreiste den Strauch, ehe er sagte: ‚Die Anderswelt ist eine Welt der Symbolik und welches Symbol kann mächtiger sein, als ein Strauch der Erkenntnis, von dem jeder bei seinem ersten Besuch in dieser Welt essen soll?'
    
    »Wachse!«, sagte die Königin zu dem Strauch. Sie schöpfte mit ihren Händen Wasser aus dem See und goss die neu entstandene Pflanze.
    
    »Wachse, wir benötigen viele deiner ...
    ... Beeren!«
    
    ***
    
    Zur gleichen Zeit stand Tyra auf und frühstückte ausgiebig. Danach fuhr sie mit dem Auto zu einem Elektronikmarkt und kaufte einen leistungsstarken Laptop für den Cerebrat. Auf dem Rückweg deckte sie sich mit Lebensmittelvorräten ein und brachte auch eine Flasche des Pflanzendüngers mit, den Rick gestern erfolgreich bei M'ryn dem I. getestet hatte.
    
    Obwohl ihr die Sache nicht geheuer war, stellte sie den Laptop auf einen Stuhl neben die Badewanne. Sie goss den Dünger ins Badewasser und beobachtete, wie sich V'nyx der V. mit seinen filigranen Tentakeln über die Steckkontakte auf der Gehäuserückseite des Laptops hermachte. Das Smartphone gab er dennoch nicht preis - es lag neben dem Laptop. Mit spitzen Lippen verabreichte Tyra der Blüte einen Teil ihrer Spermavorräte und ließ den Cerebrat wieder alleine im Bad. Wenn er nebenbei noch Football schauen würde, wäre kein großer Verhaltensunterschied zu ihrem Ex-Freund erkennbar.
    
    ***
    
    Nachdem Rick mehrere Minuten gegen die Tür des Motelzimmers geklopft hatte, war auch Miriam wach geworden. Sie zog frische Unterwäsche an, schlüpfte in ihre enge Lederhose und zog sich ein weißes T-Shirt über. Dann ging sie mit Rick in das Frühstücksrestaurant des Motels.
    
    »Können wir nach dem Frühstück noch mal vögeln - einfach nur vögeln, ohne irgendwelchen abgefahrenen Scheiß?«, fragte Rick und fügte hinzu: »Wir müssen die Zimmer erst um elf Uhr räumen, das schaffen wir locker.«
    
    Miriam zuckte verlegen mit den Schultern und ...
«1234...19»