1. Ausweglos - Teil 2


    Datum: 31.08.2018, Kategorien: Macht / Ohnmacht

    ... wohl unter der Tür durchgeschoben.“ Verwundert drehe ich mich um, nehme den Umschlag aus ihren Händen: PERSÖNLCH - Frau Prof. Dr. Nina Meier. „Danke Mandy.“ Mit der Tasse in der Hand verschwinde ich in meinem Büro, werfe die Post auf die einzige Stelle, an der mein Schreibtisch noch nicht unter Papierfluten versinkt, werfe den PC an und ziehe mir die heutige Vorlesung auf den USB-Stick.
    
    Vormittags Vorlesung. 14:00 Uhr Durchsicht der Antragsunterlagen für das neue Mongolei-Projekt. Am Anfang belächelten mich einige meiner Kollegen – nun ist die Zusammenarbeit mit der Universität Ulan Bator zu einem Aushängeschild unserer Hochschule geworden. Und begeisterte deutsche Studenten forschen in den mongolischen Steppen, während ihre so flachnasigen wie freundlichen Kommilitonen aus Zentralasien den Schwarzwald unsicher machen. Es ist mir jedes Mal eine Freude, auch wenn es Unmengen an Arbeit und Bürokratie kostet. Dann die Post nichts von Bedeutung. Dann, schon im Gehen, der extra liegende braune Umschlag …
    
    In Gedanken schon auf dem Rad, zerreißt der Brieföffner das feste braune Papier des Umschlags. Was ihm entgleitet, lässt mich im ersten Moment an einen Streich übermütiger oder fehlverliebter Studenten glauben, mit dem außer mir alle meine Kolleginnen – abgesehen von der geschätzt etwa 140 Kilo wiegenden Beiermann – zu kämpfen haben. Aber der zweite Blick lässt mich in den Bürostuhl sinken. Meine Umhängetasche gleitet von der Schulter, der Brieföffner knallt geräuschvoll erst auf meine Kaffeetasse, dann auf den Boden und bleibt dort liegen. Ich muss mehrfach hinsehen. Das ist der Traum. Aber es ist 16:30 Uhr. TAG. KEIN TRAUM. Schweiß. Herzrasen. Ein Foto – blonde Frau in vollständiger Uniform der Jungpioniere – auf einem Podest – an eine glänzende Stange gelehnt. Gesicht von dichten Haaren verdeckt. Sonst nichts in diesem diabolischen Brief. Nichts – nur dieses Foto…
«123»