Ausweglos - Teil 2
Datum: 31.08.2018,
Kategorien:
Macht / Ohnmacht
Der Auftritt
Dann, am darauffolgenden Mittwoch mein erster „Einsatz“. Es ging alles schief, was schiefgehen konnte. Anja lag mit Grippe im Bett, hatte sich aber Ersatz organisiert. Ich durfte wieder Ihren Wagen nehmen.
Schon am Vortag wurde als „Specialevent“ eine Premiere angekündigt. Düster ahnte ich, dass ich im Mittelpunkt stehen würde. Und so kam es auch. Wir hatten bei den Übungen und mit Mike nie über Outfits gesprochen. Es gab offenbar eine Klientel der Gäste, die unsichere Tänzerinnen besonders anregend fanden und diese wurden persönlich eingeladen. So kam ich in eine perfekt inszenierte Situation in der ich genau zu diesem Zweck überrumpelt wurde. Ich musste mich ausziehen und dann – Tränen schossen in meine Augen – lagen meine zwei Tanzoutfits für den Abend bereit. Einmal die detailgetreu nachgenähte Uniform der Jungpioniere mit dem blauen, dann die der älteren Thälmannpioniere mit dem roten Halstuch. Passgenau auf meine Größe zugeschnitten. Knapper Rock. Viel knapper als das Original. Abgesehen davon, dass damals nur die größten Streber und Speichellecker die komplette Uniform trugen. Selbst ich, mit meinem „belasteten Mutterhaus“, beschränkte mich meist auf Halstuch und Bluse, den meisten reichte sogar ersteres. Und nun lagen die überraschend authentischen Outfits vor mir – ergänzt um ordinäre blaue Dessous im ersten und rote im zweiten Kostüm. Kaum war ich angekleidet, wurde ich ins Scheinwerferlicht geschoben. Geblendet. Auf den unanständig hohen Heels ...
... schwankend. Und dann war sie da, MEINE Ankündigung: „Hier kommt die geile Chantalle“ – unsere fraglos heißeste Schnalle und bewegt richtig schnell, für Euch ihr unvergleichliches Gestell!“. Gröhlen. Johlen. Pfiffe. Blendendes Licht. Blechern klingende Pionierlieder, nach deren Takt ich mich nach den erlernten Bewegungen entblätterte. Dann eine Pause. Dann das zweite Kostüm. Wieder alles wie zuvor. Nur schlimmer. Panik. Als die erste Hand meinen Slip berührte, wich ich nach hinten aus, stolperte fast von der Plattform. Gröhlendes Gelächter, Pfiffe. Dann umringten mich Hände. Grobe Hände. Schweißnasse Hände. Geldgefüllte Hände, die meinen Slip oben und unten abspreizten und mit Scheinen füllten. Heulen, vom Publikum als Schweiß und gespielte Scham gedeutet. Die Überlegung, von der Bühne zu fliehen. Die ersten Schritte in diese Richtung. Mike am Vorhang, kopfschüttelnd. Rückkehr auf die Bühne. Aufgesetztes strahlendes Lächeln, am Leib nur noch die roten Halterlosen mit Laufmaschen und ein sich vor Geldscheinen wölbender String. Auftrittspause. Die johlende Menge und das Scheinwerferlicht im Rücken. Noch drei Stunden Auftritt vor mir. Heulkrämpfe und Zusammenbruch in der Kabine. Szene von Mike, ich möge gefälligst meine Fickstelzen spreizen und in die Hocke gehen wenn mir Geld zugesteckt würde. Zustand kurz vor der Hyperventilation. Nächster Auftritt in 15, 14, 13, 12 Minuten. Panisches Ankleiden, Flucht aus dem Club. Die Metalltür die hinter mir ins Schloss fällt. Ein letzter ...