Das Fenster
Datum: 21.07.2018,
Kategorien:
Verführung
... nicht", konstatierte sie plötzlich in die rote Stille. Es klang wie die Hoffnung einem Schmerz zu entgehen. Ich bekam Angst vor dem Zustand des Verlustes eines Gefühls, das ich noch gar nicht zu haben schien.
Mich beschlich eine Antwort. "Ich könnte es." "Ich habe Angst davor", flüsterte Carmen. "Und ich vor dem ´Danach´", antwortete ich leise. "Du hast nicht ein einziges Mal ´ich liebe dich´ gesagt", meinte Carmen. "Ich habe mich auf dich konzentriert und bin dir entgegen gekommen. Ich war ja auch nicht der ´Wimpelfisch." Carmen lächelte. "Ja, Andre`."
Es war noch keine Liebe, es war nur ihre Nähe, ihr süßer Geruch, erinnerte ich.
"Wir werden uns nicht wiedersehen", flüsterte sie. "Immer wenn Blendladen aufgeklappt werden, werde ich dich sehen, immer wieder, kann niemand verhindern".
"Calvados und süße Trauben", meinte Carmen gedankenverloren.
"Wir haben noch ein paar Tage", sagte ich. "Lass uns die Flasche ganz langsam leeren", flüsterte sie, legte ihren Kopf auf meine Brust und kuschelte sich noch enger an mich heran. "Bleib heute Nacht bei mir. Es ist nur wegen ihrer Nähe und ihres süßen Geruchs", fügte sie murmelnd hinzu.
Ich legte meine Arme zärtlich um ihre schmalen Schultern, drückte sie an mich, streichelte sie, roch an ihrem blumig duftenden Haar und starrte lange, gedankenverloren an die Zimmerdecke, deren Orangerot sich allmählich mit der untergehenden Sonne verflüchtigte und den Tag zu einer lauen, sternklaren Nacht werden ließ. Carmen atmete ...
... ruhig, fast unmerklich. Sie schlief bereits. Ihr weicher Körper schmiegte sich sanft an mich und berührte mein Herz. Ihr Atem wiegte mich langsam wie das leise rauschen des Meeres aus der Ferne und holte mich zurück, zurück in die Zeit. Morgen ist schon Samstag..., wie eine Sanduhr..., dachte ich müde. Wie viel Sand gehört in eine Sanduhr...
Es war meine letzte Frage an jenem Tag.
*
Es war das Knattern eines Motorrollers, das zwischen den Häuserzeilen zu uns hinauf schallte und mich aus dem Schlaf holte. Ich schaute blinzelnd an die helle Decke, die wie eine leere Leinwand war. Die warmen Farben des gestrigen Nachmittags schienen mit der Nacht verblichen zu sein.
Ich rieb mir die Augen und wandte meinen Blick dem zierlichen Körper zu, der neben mir lag. Carmens Silhouette wirkte unter dem dünnen, weißen Laken, wie ein in Alabaster gehauener Engel. Mein betrachtendes Innehalten kontrastierte mit dem lauten, unangenehmen Gewühl des hektischen Lebens an der kleinen Hafenmole. Doch fühlte ich mich wohl, gelassen und still.
Ich legte abwartend meine Fingerspitzen auf die Tastatur meiner kleinen Reiseschreibmaschine, schaute hinüber zum toten Fenster und versuchte jenes Gefühl herauf zu beschwören, das meine beschreibenden Erinnerungen mit ihr verbanden.
Carmen ist eine besondere Frau, zumindest ist sie es für mich, sehe ich rückblickend in diesem Moment. Wie es ihr wohl geht. So fern und doch so nah. Ich hoffe, sie fühlt wie ich.
Carmen war anmutig, wirkte ...